Vaterlandsgefühle für den Beamtenstaat?

Warum sagt jemand „Scheibe-Staat“? Irgendwie auch, weil er will,dass es besser werde. Wen der Scheibe-Staat nicht juckt, weil er hier die Kohle macht, um seine Tage in Madeira zu beenden, sagt nicht Scheibe-Staat. Er würde sich auch in Nord-Korea arrangieren, während der Dauer seines wirtschaftlichen Engagements.

Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht immer aufs Neue, und jedes Mal stärker, zugunsten des Rechts auf freie Meinungsäußerung entschieden. „Kein Staat gedeihe ohne die Freiheit des Individuums“ sagte John Stuart Mill und kämpfte gegen sämtliche Denkverbote, Konformismus und soziale Tyrannei (NZZ v. 6.5.23). Aber die Gerichte und Staatsanwaltschaften, Institutionen von Tyrannei, Denkverboten und Konformismus gehen unbeirrbar gegen die Meinungsfreiheit vor. So hatte ein Arbeitnehmer in einem Arbeitsgerichtsprozess seinen bisherigen Arbeitgeber einen Betrüger genannt, was die Staatsanwaltschaft Waldshut zur Anklage wegen Beleidigung motivierte. Das dortige Amtsgericht, ein juristisches Kartell von furchtbar autoritären Juristen, verurteilte den Mann, der dann in Berufung ging. Das Landgericht bewog den Angeklagten, einer Einstellung zuzustimmen. Das tat er auch, denn der Instanzenzug hatte ihm die Knie weichgeklopft. Die Anwälte taugen in ländlichen Kreisen wenig, denn kein Anwalt kann es sich leisten, mit seinem Gericht in Feindschaft zu leben.
Korrekt hätte das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil aufheben und freisprechen müssen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung war in der juristischen Fachpresse längst bekannt gemacht, dass ein Arbeitnehmer innerhalb eines Verfahrens zu weit gehen und dabei seinen früheren Chef als Betrüger bezeichnen dürfe. Das irgendwo betrügerisch handelnde Landgericht schädigte den Verfolgten um erheblich Kosten, die die Staatskasse ihm hätte ersetzen müssen.
In Baden-Württemberg ist eine Meucheljustiz am Drücker. Im Norden Deutschlands ist es nicht besser:

Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein verfolgt den Mikrobiologen Sucharit Bhagdi, der die Zwangsimpfung mit der Praxis der (innerdeutschen) Judenverfolgung zwischen 1933 und 1938 verglich, wegen „Verharmlosung des Holocausts“. Jedenfalls wurde von staatlicher Seite aus gewaltiger sozialer Druck auf Ungeimpfte ausgeübt, denen – ähnlich wie den Juden zwischen 33 und 38, der Besuch von Gaststätten untersagt war. Ganz abwegig waren diese Vergleicht nicht. Die Rechtstaktik mit der Verharmlosung ist bei den Behörden beliebt geworden. Sie verleiht der Behörde einen politischen Heiligenschein, ist aber glatte Rechtsbeugung. Man verharmlost nicht das Geschehen A, wenn man ein Geschehen B übertreibt. Wer einen kritikwürdigen Grundschullehrer mit dem Degerlocher Hauptschullehrer Ernst Wagner vergleicht, übertreibt wohl maßlos, billigt oder verharmlost aber nicht die Tat(en) von Ernst Wagner. Die deutsche Justiz hat sich angewöhnt, die Logik bei Bedarf auf den Kopf zu stellen. Das macht ihr von Grund auf verbrecherisches Wesen aus.

Objektiv ist es geschmacklos und Ausdruck flatterhaften Wissens, sich einen gelben Judenstern mit der Aufschrift „ungeimpft“ anzuheften. Aber subjektiv kratzt der Protestler nicht an der Holocaustüberlieferung. Die Impfgegner hätten es vielleicht mit mittelalterlichen Lepra-Rassel versuchen sollen, wenn sie protestierten. Aber eine „Verharmlosung des Holocausts“ stellt der Protest mit gelben Judensternen trotz alledem nicht dar. Und – Geschmacklosigkeit ist kein Straftatbestand.

So ganz abwegig ist der Vergleich der autoritären Corona-Politik in Deutschland mit der anfänglichen Judendiskriminierung der Reichsregierung aber trotzdem nicht gewesen. Gemeinsam ist beiden, dass Hinz und Kunz dahinterstanden und denunzierten. Das wollen Hinz und Kunz als Träger der heutigen Demokratie nicht hören. Jude zu sein hieß aber vor dem Krieg nicht „Auschwitz“. Vor der Reichskristallnacht glaubten viele Juden, sich im Rahmen des Regimes halten zu können (Wolfgang Benz in: die Juden in Deutschland). Noch im Oktober 1938 lebten ca 50.000 Juden mit polnischen Pässen in Deutschland und erhielten sogar Arbeitslosenunterstützung. Heute vergleicht man alles mit den Maßnahmen während der Zeit des totalen Krieges. Hier liegt das Manko bei der Verständigung. Aber woher soll dies ein Sucharit Bhagdi wissen? Um die Entwicklung der Judenverfolgung zu begreifen, bedarf es eines ausgeprägten Interesses, das in erster Linie den Nachkommen der Überlebenden eigen ist. Der im Ausland erzogenene Mensch hat von alledem nur ein summatisches Wissen.
Lea Fleischmann, geboren in einem Lager für „displaced persons“, das zuvor noch als KZ-Außenlager verwendet worden war, und deren Eltern in Deutschland blieben, war Berufsschullehrerin in Hessen geworden, als ihr durch ihre Beobachtung des Schulbetriebs klar wurde, dass dieser nicht und auch sonst nichts in Deutschland anders funktioniere und organisiert sei als der Betrieb eines Konzentrations- oder Vernichtungslagers. Eingespannt in den Betriebsablauf des Schulbetriebs, unterworfen höherer Weisungen und Vorschriften, beobachtete sie, dass, wo etwa eine individuelle Entscheidung zugunsten einer schlechteren Schülerin möglich gewesen wäre, sich immer eine verfahrenshörige Fraktion im Kollegium bildete, die „grundsätzlich“ und ohne Kenntnis der Schülerin deren Nichtversetzung durchsetzte. Sie wirkte bei dieserart Entscheidungen faktisch mit, weil sie einfach in den Betrieb eingespannt war, nolens volens.
Natürlich nicht genauso, aber prinzipiell gleichartig funktionierten nach Fleischmanns Überlegungen die Lager.
Man kann auch andere Beispiele hernehmen. Guckt man auf das Militär, funktionieren die Divisionen der unterschiedlichen Länder alle ähnlich. Auch Gefängnisse funktionieren gleich; der Unterschied besteht dann in der Qualität der Waffen, der moderneren Menschenführung oder der besseren Gefängnisausstattung.
Was macht daher das „Deutsche“ an Divisionen, Gefängnissen und Schulen aus? Das menschlich-individuelle Element wird neutralisiert. Der deutsche Gefängniswärter glaubt, dass sein Gefängnis optimal organisiert ist. Er muss das glauben, denn er will sozial konform und nicht gesetzwidrig wirken. Der Deutsche ist auch vom Grunde seiner Seele her schadenfreudig und bösartig. So wurden im KZ die Selektionen zwar nach im Voraus festgelegten Vorgaben durchgezogen, aber ein vom System abweichender Wink des selektierenden Arztes aus Mitleid oder Erbarmen wäre jedem Wachmann aufgefallen. Er hätte Meldung gemacht, wiederum aus Angst, dass man ihn melden könnte. Der deutsche Mensch lebt zwanghaft, einmal in seiner Ordnung und persönlich in der Angst, aufzufallen, dass er den Anforderungen nicht genüge. Seweryna Smaglewska berichtet über einen Krematorium-Wachmann, der sich zu betrinken begann und zuletzt selbst als KZ-Häftling endete. Die deutschen Verfahren – egal zu welchem Zweck – sind auf Automatismus programmiert, was das richtige Funktionieren auch der Unbegabtesten innerhalb des Systems sicherstellt. Darin liegt Deutschlands Stärke: denn auch das intellektuelle Mittelmaß bringt mittelmäßig brauchbare Leistungen, während in der Durchschnittlichkeit eines Gremiums bessere Leistungen regelmäßig untergehen. Also braucht man in deutschen Institutionen weniger intelligente und selbstdenkende Menschen, aber diese funktionieren besser als etwa französische. Die französische Methode der „écremage“ sortiert zu viele Begabtere aus, die dazu neigen, auf Positionen unterhalb ihrer Begabung eigenständig zu denken, wo der Mensch nur funktionieren sollte.

Sie, Fleischmann, konnte nicht wegen „Verharmlosung des Holocausts“ verfolgt werden, denn sie verließ Deutschland, das „nicht ihr Land“ sein konnte. Besonders widerte sie ein Telekomingenieur an, der in und um Auschwitz Telefonleitungen verlegte. Dabei war es ihm durchaus unangenehm gewesen, überall Leichen herum- und aufgestapelt liegend sehen zu müssen. Aber seine Telefonleitungen verlegte er weiter. Das war seine Verwendung. Das war damals natürlich keine „Beihilfe zum Mord“.

Wenn man dies rein technisch betrachtet und Ideologien ignoriert, sind die Institutionen in Israel auch sehr perfektioniert. Israel ist allein durch seine geografische Lage genötigt, sich optimal zu strukturieren (Alex Bein). Es ist von daher fast selbstverständlich, dass seine Institutionen auf deutsche Art funktionieren, so dass Sucharit Bhagdi eigentlich nur trivial gesagt haben kann, dass die Juden, die ohnehin das Lernen für eine Tugend ihrer Rasse halten (Heinrich Graetz), das bösartige Besatzungsregime von den Deutschen kopiert hätten. Man muss dies dem Amtsrichter in Plön hoch anrechnen, dass er Bhagdi freisprach. Abstoßend wirkt dagegen das Gegeifere des Dr. med. J. Schuster in dessen Jüdischer Allgemeinen, der diesen Freispruch skandalisiert. Worin liegt der Skandal? Er liegt in der Person dieses Vorsitzenden und Frühstücksdirektors der Jüdischen Diaspora. Hinter ihm steht vielleicht das Diaspora-Ministerium der israelischen Regierung, und das deutsche Außenministerium. Es ist Schusters Leistung, dass sich auch die regionalen Führer der deutschen Dispora mit der israelischen Regierung identifizieren, aber auch, dass die Zeitgenossen die Mitglieder der Diaspora mit den Zionisten in einen Topf werfen. Die Reaktion auf das Ergebnis der amtsjüdischen Politikt wird Bhagdi als „Antisemitismus“ ankreidet. Im Sinne von J. S. Mill strotzt das jüdische Leben in Deutschland von Denkverboten und sozialer Tyrannei, so dass es kindisch ist, von einem „jüdischen Leben“ in Deutschland zu sprechen.

Diese Tendenz ist nicht erst seit der Ägide Schuster ein Problem. Die 4 Bände des Beck-Verlags zur deutsch-jüdischen Geschichte der Neuzeit sind inhaltlich eine anödende Literatur zwischen Hagiographie und Martyrologie. Felix Theilhaber und Arthur Ruppin erscheinen mit ihren Werken im Vergleich dazu beinahe schon als Antisemiten.

Schwierig ist es derzeit für den amtlichen Verband der deutschen Diaspora, die Berichte zu Israel aufzuarbeiten, wo inzwischen eine stramm, ja sogar aggressive rechte Politik gemacht wird (Ajelet Shani sprach sogar von Neonazi-Ministern). Die Bundesregierung versucht die Ereignisse zu ignorieren. Weil in Deutschland der Zentralrat alles deutsche „Rechte“ traditionell giftig begeifert und eine exzessive Martyrologie aus der jüngeren jüdischen Geschichte gemacht hat, tut er sich schwer, das Rechte in Israel und die Besatzungspolitik zu belobigen. Sind die Araber wirklich die Märtyrer? Alex Bein versteht nicht, dass der israelisch-ägyptische Friedensschluss so wenig zur Befriedigung der Verhältnisse beitragen konnte. Aber die Welten von Juden und Arabern sind zu verschieden. Zu den nationalen Differenzen kommt noch so etwas wie ein sozialer Klassenkampf. Das wird aber nicht diskutiert. Schuster „warnt“ (was immer das heißen soll) davor, alles im krassen Licht der Tatsachen zu betrachten. Auch das schadet dem Trend nicht, denn die jüdische Inszenierung in Deutschland hatte nie einen realen Bezug. Nur was ist das irreale Moment, das jede Diskussion bei und im Land vergiftet?

Israel ist das herzl‘ sche Altneuland geblieben, das mit der europäischen Entwicklung Schritt hielt. Ein wesentliches Element des Judentums ist die Ideologie der Freiheit (Martin Buber), die zweifelsfrei das spanische Judentum geprägt hat, das aber nicht unbedingt die aschkenasischen Massen leitet. Israel ist sowohl eine Massengesellschaft als auch im Bunde mit der Diaspora eine Demokratie der Optimaten. Die heute so genannte „einzige Demokratie in Nah-Ost“ hat noch nicht einmal eine geschriebene Verfassung, was sie als Republik der Optimaten nicht braucht, als Volksdemokratie aber nötig hätte. Außerdem: was ist für die Leute a.) Nah-Ost? Gehören die Türkei und Zypern nicht zum Nahen Osten? Und b.), bedarf eine Demokratie keiner strikten Gewaltenteilung im Sinne von Montesquieu?
Man muss es anders lesen: Israel ist die einzige jüdische Demokratie, und dies sogar weltweit. Sie lässt sich mit Thierschs „christlichem Staat“ von 1880 vergleichen, den „die Juden“ damals als unzeitgemäß abgelehnt hatten. 1870 war sogar der Kirchenstaat aufgehoben worden und Utah, der Mormonenstaat musste seine Verfassung revidieren, um in die USA als Unionsstaat aufgenommen zu werden.

Soll es erst einmal bei einer „jüdischen Demokratie“ bleiben. Auch „die Juden“ haben das Recht, nach Zeiten der Zerstreuung und Atomisierung (Martin Buber) wieder zu einer Nation zusammenzufinden. Problem ist das kein primäres, Problem ist nur die Demontage der Freiheit bei uns, die Dres. Schuster und Co betreiben. Unsere Justiz, die sich als eigenständige „Dritte Gewalt“ darstellt, kann sich trotz Art 20 II GG auf keine Urwahl beziehen. Sie entspricht in etwa der Autokratie der israelischen Justiz, wie sie von Kaiser Hadrian 135 „nach“ abgeschafft worden war (Markus Brann). In beiden Institutionen bestimmen die etablierten Richter, wer ihnen als Richter nachfolgen soll. In gewisser Hinsicht entspricht dies der monarchischen Idee, wo der Kronprinz nach Erbregeln feststeht. Das passt alles nicht ganz zusammen. In Israel wehrt sich die Regierung dagegen, dass die Justiz nach Art der Patriarchen einzelne Minister absetzen kann, wie etwa Arje Deri. Ministeranklage? Nicht erforderlich.
Richter ohne demokratische Legitimation lassen sich von Lobbies unter Druck setzen. Im obigen Fall “ Waldshut“ ist die Justiz Gehilfin der Polizei. Noch betrifft die deutsche Polizeigehilfenschaft Einzelfälle, schafft Justizopfer wie Mollath, Rupp und angebliche Vergewaltiger wie Kachelmann, aber schafft auch Gruppen von Opfern: Palästinenser, die ihrem Unmut gegen die Politik des israelischen Besatzungsregimes Luft machen wollen, werden auch bei uns pauschal unterdrückt und diskriminiert. Wer keine Musik mag, geniert es auch nicht, dass ein Roger Waters Probleme hat, seine Konzerte stattfinden zu lassen. Wer nicht weiß, wer Pacelli war, ignoriert auch, dass die Berliner Straße Golda-Meir-Allee heißen soll. Wer liest schon Annie Ernaux, eine von vielen Nobellpreisträgerinnen, deren Ansichten einem Dr. Schuster missfallen?

Ach wie angenehm ist doch der Stumpfsinn, in dem diese Gesellschaft klimaneutral, vegan und biologisch vegetieren kann.
Lobenstein

Das Phantom des Antisemitismus

So ganz ohne Antisemitismus wird es in Deutschland nicht mehr lange weitergehen können. Ohne das Phantom des Antisemitismus schwindet auch das Judentum. Dies nicht, weil sich die Grabspalten des Kyffhäusers öffnen würden, sondern, weil Dres. Schuster und Consorten den Begriff „Antisemitismus“ entsetzlich ausgeleiert haben. Hinter jedem brennenden Dornbusch mit israelischer Fahne steckt ein antisemitisches Gespenst. Nur noch der ordentlichste Deutsche, wo absolut nichts Brennbares rumliegt, kann einem Verwurf antisemitischer Gedanken aus dem Weg gehen. Selbst Juden werden als „berüchtigte Antisemiten“ gescholten, und ein Antisemitismusbeauftragter fiel sogar den Beobachtern des Simon-Wiesenthalcenter in Kalifornien als „selektiver Antisemit“ auf. Roger Waters wird gleich „übler“ Antisemit (Spaenle) gescholten. Es muss also auch Antisemiten geben, die nicht übel sind. Gilead Atzmon schätzt Otto Weininger, der sicher Antisemit war, aber offenbar kein üblet. Atzmon definierte den Begriff so, dass Antisemit sei, wer für einen Juden zum Ärgernis werde.
Jean Paul Sartre und Adolf Böhm witzelten ihrerzeit ähnlich, dass jemand Antisemit werde, weil er zufällig von einem Juden betrogen worden sei; heute ist es umgekehrt. Ein falsches Wort, und schon gilt man als Antisemit.
Guckt man in die Werke von Adolf Böhm oder von Peter Beer länger hinein, dann kann man auch erfahren, wie sich unter Juden die Vertreter einzelner Denkrichtungen mit dem Herem belegt hatten. Je individualistischer sich die Judenheit zusammensetzt, desto antisemitischer scheint sie selbst zu werden, je nachdem, aus welcher Perspektive man das Zeitgespräch betrachtet. Isaac Deutscher (in: Der nichtjüdische Jude) stellte fest, dass nach heutiger Definition von Antisemitismus die Juden Galiziens mehrheitlich Antisemiten gewesen sein müssten, was zu behaupten natürlich absurd wäre.

Absurd scheint das richtige Wort zu sein: Antisemitismus ist längst ein Phantom.

Versimpelt gilt heute jemand als Antisemit, der an Israel als zionistischen Staat artikuliert Anstoß nimmt, und das auch noch sagt. Er mag sich damit rechtfertigen, dass „die Juden“ zu dieser Frage schon um 1900 „mit den Füßen abgestimmt“ (W. Lenin) hatten. Eine Million russischer Juden wanderte nach den USA aus, während sich nur 80.000 bis um 1920 in Palästina einfanden. Absurd wäre es nun wiederum, die US Juden als Antisemiten zu sehen. Allerdings stellte Carlo Strenger fest, dass die amerikanische Judenheit binnen zweier Generationen auf 13% des heutigen Bestandes abschmelzen werde. In einer freien Gesellschaft heiraten Juden – Marc Zuckerberg als illustres Beispiel – gerne Asiatinnen. Sie sind so gut wie nie Jüdinnen. Unser Dr. Schuster verkündete in seinem Blatt, das amerikanische Programm zur „Festigung jüdischen Volkstums“ (jewish outreach program) greife nicht. Warum sollte ein Euro-Asiate Jude werden wollen angesichts seiner kulturellen Alternativen. Ganz abgesehen davon sind „die Juden“ gegenüber Mischlngen kritischer eingestellt als es die Nazis waren. Sie lassen selbst einen israelischen (para-jüdischen) Ukrainer nach Zypern reisen, wo er im Ausland seine echt-jüdische Partnerin heiraten kann. So ganz koscher ist es also nicht in der „einzigen Demokratie in Nah-Ost.
Unbestreitbar bleiben als „echte Juden“ dann nur die Chareden und andere Sekten, die witziger Weise wiederum dem „jüdischen Staat“ kritisch gegenüber stehen (vgl. Jakov Rabkin, Im Namen der Thora).

Ganz nebenbei. Der Text bis hierher reicht aus, um als Antisemit verteufelg werden zu können. Aber steigen wir den Scheiterhaufen noch ein paar Reisigbündel höher:

Gehen wir erst einmal davon aus, dass der Vorwurf „Antisemit“ nichts anderes sein kann als ein säkulares Herem, das eine vom deutschen Staat unterhaltene Clique von bundesdeutsch-jüdischen Kollaborateuren sehr leichtfertig anwendet. Als souveräner Mensch wird einen dieses Herem genauso wenig genieren wie ein katholischer Kirchenbann. Problematisch wird die folgende Bundes-Acht. Im Mittelalter (es ist offiziell vorbei, aber wir entdecken seine Spiritualität neu) folgte dem Bann die Reichs-Acht (Ächtung). Hier liegt unser retardierendes Problem. Dem Herem folgt in unserem Land eine soziale Ächtung, weil der deutsche Mensch angstgesteuert ist. Der Redakteur Finn Canonica vom Schweizer Tagesanzeiger hatte sich viel erlauben können. Dass er aber als Korrekturzeichen für unerwünschte Germanismen in einer Schweizer Zeitschrift kleine Hakenkreuzchen als Korrekturzeichen und -begründung nutzte, das war der Skandal, an dem man ihn packen konnte.
Die Gesellschaft meidet den zum Antisemiten gestempelten wie im Mittelalter, fürchtend, selbst unter Interdiktion zu fallen.

So gesehen sind die staatlich etablierten Juden wieder eine Gefahr für die Freiheit.

Den Deutschen ist die Freiheit zwar weitgehend gleichgültig, was sogar Hendryk Boder im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg konstatierte. Deswegen respektiert es die Bundesächtung und setzt Preisverleihungen aus. Samuel Salzborn als Berliner Antisemitismusinquisitor nimmt sich im Schatten dieser Gleichgültigkeit Berliner Straßennamen vor: soll doch die Kantstrasse morgen Kantenstraße heißen Den Richard Wagnerplatz könnte man Ernst Wagnerplatz benamsen nach dem Degerlocher Hauptschullehrer und Massenmörder, der während der Nazizeit in einer Irrenanstalt verstarb. Der Bundesantisemitismusbeauftragte Felix Klein konnte als Agent des Bundesfiskus und Hauptkunden für juristische Literatur den Beckverlag zwingen, dessen Gesetzessammlungen umzutaufen, ungeachtet der Tatsache, dass kaum ein Jurist etwa vor der Umbenennung wußte, wer Otto Palandt gewesen sein soll. Palandt war – wissen wir jetzt – als Leiter des Reichsjustizprüfungsamtes angeblich für die falsche Erziehung des deutschen Juristennachwuchses verantwortlich, was eigentlich nicht sein kann, weil dieJurastudenten an den Universitäten von Hunderten von Juraprofessoren ausgebildet wurden. Aber wen interessiert es? Keine Sau. Ingo Müller (in: Furtchtbare Juristen) weiß zu berichten, dass die Nazi-Zeit juristisch keine Sonderrechtszeit war. Trotzdem: Wei politisch die Deutschen heute ziemlich willenlos sind, können Dres. Schuster und Co, ohne auf Opposition zu treffen, ihre geschichtlichen Revisionen durchziehen.

Nun scheinen die Herrschaften aber doch zu hoch zu pokern, bzw. Ihr Blatt zu überreizen. Ihre Inquisition nimmt sich inzwischen auch grundrechtlich geschützte Segmente des sozialen Lebens, die Kunst und die Meinungsfreiheit vor. Es wird den metökenden Palästinensern z. B. verboten, zu demonstrieren, weil „antisemitische“ Parolen skandiert werden könnten, bzw. weil solche schon ausgerufen worden seien. Dies verletze die Rechte der Juden. Sie fühlen sich beleidigt. Sollte tatsächlich ein arabischer Lausejunge rufen „(J-Wort), verrecke“, dann wäre dies wohl empörend, aber nicht so gravierend, dass a.) ein Jude um seine Menschenwürde gebracht werden würde noch b.) dass gleich allen Arabern das Protestieren am Jerusalemtag verboten werden muss. Auch der wenig informierte Jude könnte erkennen, dass hier Araber demonstrieren, mit denen die Regierung in Israel nicht gerade zimperlich umspringt. Deswegen protestieren sie.

Eingeschränkt werden soll aber das Demonstrationsrecht bei uns. Das ist schlimm.

Das Gleiche gilt für die Kunst. Auch hier soll der Deutsche nicht mehr sehen dürfen, wie man z. B. in Indonesien die zionistische, und damit westliche, Herrschaft über die palästinensischen Autonomiegebiete sieht. Natürlich kann der Künstler in Jakarta das jüdische Besatzungsregime noch krasser darstellen, aber bei uns wird verboten, es dem Deutschen zu zeigen. Hier liegt das Problem, zumal die „antisemitischen Kunstwerke“ in Indonesien weiter ausgestellt werden können. Der „jüdische“ Angriff richtet sich nicht nur gegen die Kunstfreiheit allein, sondern auch gegen den internationalen Gedankenaustausch. Israel hat das Problem, in der Dritten Welt geächtet zu sein. Müssen wir auch im Kulturbereich Israel folgen?

Die jüdischen Inquisitoren gehen sogar so weit, die Verleihung von Literaturpreisen an französische und dnglische Damen zu vereiteln, weil diese eine BDS-Petition unterzeichnet hätten. Aber ist die BDS wirklich antisemitisch? Viele Juden sagen „nein“.

Noch krasser wird es, Konzerte von Roger Waters verbieten lassen zu wollen, weil dieser auch irgendwelche BDS Petitionen unterzeichnet habe. Allein die Unterzeichnunv einer Petition ist grundrechtlich geschützt (Art. 17 GG). eremy Coburn, der sich zu diesem Thema abstinent zeigte, wurde auch urplötzlich als Antisemit abgestempelt. Es liegt in der Logik politisch links stehender Personen, rechte Politik generell abzulehnen und mit einem antisemitischen Verdycht zu bestäuben, aber inzwischen sind erklärte Linke des Antisemitismus verdächtigt. Simultan berichtet aber ein Pinchas Goldschmid 2023 stolz von seiner Reise nach Jerusalem über Israel, dass eine satte Mehrheit der jüdischen Israelis für den jüdischen Staat in seiner religiösen Ausrichtung seien. Kann den jüdischen Staat ein linker Demokrat als eine Art jüdischen Kirchenstaat noch für akzeptabel halten?

Ich übergehe die historische Frage, ob Israel ein banaler Kolonialstaat sei mit dem Axiom, es sei nicht ein Kolonialstaat, denn das Land gehöre seit Moses (seit 3000 Jahren) „den Juden“, die es nur der bösen Römer wegen hatten räumen müssen, was die Araber veranlasste, es zu squatten. Nun errichten die Juden einen jüdischen Staat auf ihrem ihnen zu Unrecht weggenommenen Grund und Boden, wobei man heute nicht genau abschätzen kann, was das im Detail heißt.
Greifen wir zu einer Analogie. Wilhelm Thiersch hatte 1875 eine Abhandlung über den christlichen Staat verfasst, die durchaus Theodor Herzl als Zeitgenossen als Blaupause für sein Altneuland hat gedient haben können. Thiersch räumt zwar die These der französischen Revolution als richtig ein, dass der Staat selbst ein Atheist sei und sein müsse, verweist aber darauf, dass der Staat auch eine Genossenschaft darstelle, die christlich wäre, so dass der Staat (von 1875) faktisch christlich sein müsse. Übernimmt man diese Argumentation für Israel, so wäre die jüdische Bevölkerung die religiöse Genossenschaft, die dem atheistischen Staat das Gepräge gäbe.

Seit Thiersch haben sich aber die folgenden Generationen dechristianisiert, was die Idee vom christlichen Staat erledigte. Selbst in den USA musste sich das Utah-Territorium von den Regeln des Mormonenstaates befreien, um in die Union aufgenommen werden zu können. Israel bekennt sich also zu prädemokratischen Grundsätzen.

Auch wenn man die Verhältnisse mit denen in Europa vergleicht, kommt nichts anderes bei heraus. Zwar sind noch etwa 50% der Deutschen Mitglied einer Kirche, dürften aber nach David Farbstein eher „Friedhofschristen“ sein, die nur noch ein christliches Begräbnis wünschen. Georg Liebe schrieb über die Juden um 1900, sie seien Menschen wie du und ich, so dass die selbe Dejudaisierung die Idee vom jüdischen Staat erledigen müsse. Das hakt: zwar in den USA geht die Zahl der Talmudgetreuen zurück (Carlo Strenger), aber nicht in Israel. Dort hätten wir nach Auskunft von Pinchas Goldschmid noch länger einen jüdischen Mormonenstaat.

Praktisch ist es so, dass im nicht-kolonialistischen Israel auch Araber mit dem „falschen“ Glauben leben; außerdem identifizieren sie sich – soweit Moslems – auch nur über eine Art Aberglauben. Um hier keine falsche Religion zum Zuge kommen zu lassen, muss es, so lange es Moslems geben wird, beim jüdischen Staat bleiben, auch wenn die Gläubigen zahlenmäßig zurückgehen. Als Ersatz kommt das jüdische Abstammungsbewusstsein zum Zuge. Der Staat bleibt jüdisch, weil die Leute das Sagen haben, die von drei oder mehr volljüdischen Großeltern abstammen. Dieser Realität muss man unbefangen ins Auge sehen.

Hier liegt ein Widerspruch zur Politik der Diaspora der Dres. Schuster und Co im freien Germanien. Die jüdischen Herrschaften spielen politisch immer noch die linke Karte aus und suchen sogar den Schulterschluss mit den „Feinden Israels“ (Karl Lagerfeld), wenn es um obszöne Albernheiten wie die Beschneidung oder um abergläubische Schlachtmethoden geht. In Israel ist heute kein Juden gezwungen, seine Buben beschneiden zu lassen. Für Dres. Schuster und Co wäre dies aber ein Hinweis auf Antisemitismus, die Beschneidung unmündiger Kinder verbieten zu wollen. Religionsfreiheit der Eltern? Sie endet an der Vorhaut einesr selbständigen Rechtsperson. Gleichzeitig vernebeln die Dres. Schuster die rechten Verhältnisse in Israel, wo inzwischen Neonazis zu Ministern aufgestiegen seien (Ajelet Shani).

Inzwischen hat die Politik der Dres. Schuster und Co die neue „Antisemitenliga“ ganz schön anwachsen lassen mit der Folge, dass, was gestern noch „no go“ war, Dank Schuster und Co cool und woke geworden ist. Vor 10 Jahren, z. B. erschien – natürlich auf Arabisch – in einer arabischen Zeitung Ibtisam Azems Roman vom Verschwinden der Palästinenser in Israel. 2019 erschien er auf Englich in den Staaten. Und auf der Suche nach „antisemitischem“ bzw. propalästinensischem Schrifttum wurde er jetzt für das deutsche Publikum entdeckt und verlegt. Das Buch beschreibe die Lage der Palästinenser mit touch für die Zukunft. Denn in der Tat kann Israel – als atheistischer Staat wie als jüdische Gesellschaft – nicht auf die Arbeitskraft der Araber verzichten, gewährt ihnen aber nur mindere, bzw Ausländerrechte. Und das wird erst der Anfang sein von einer Flutwelle „antisemitischer“ Literatur, deren Wassermassen die alte Garde jüdischer Kollaborateure deutscher Vergangenheitspolitk (Norbert Frei) aufgestaut hat. Die „einzige Demokratie in Nah-Ost “ hat noch nicht einmal eine geschriebene Verfassung, keine kodifizierten Menschenrechte, die die „V-Waffenschläge“ nach Gaza relativieren müssten, und ringt seit ihrer Gründung um die Gewaltenteilung nach Montesquieu.

Man kann statt von Kollaborateure der bundesdeutschen Politik auch von „Bärendienern“ an der Diaspira sprechen. Sie machen auch alberne und unrealistische Stücke wie lemmon tree oder die Vögel für ein oberflächliches Publikum, das nach Tatort-Art moralisiert, sehenswert. Denn, „etwas ist faul im Staate Israel“, würde Shakespeare sagen, aber dass die deutsche Diaspora-Führung morsch ist, das sagen ganz aktuell sogar die Leute von der Jüdischen Rundschau.

von Lobenstein

Ibtisam Azem – Das Buch vom Verschwinden, Lenos Verlag

Die Protagonisten dieses klugen, präzisen und stillen Romans, der aber vor Spannung brodelt, sind zwei Israelis, ein jüdischer und ein arabischer. Beide sind miteinander befreundet und gehen respektvoll miteinander um. Und auch wenn Ariel, der Jude, glaubt seinen Freund Alaa zu kennen, zumal sie im selben Haus wohnen, ist er erstaunt und verwirrt, als dieser eines Tages verschwunden ist und mit ihm alle anderen israelischen Palästinenser. Es klingt unglaublich und ist auch ungewöhnlich. Die Frage nach ihrem Verschwinden geht wie ein roter Faden durch das ganze Buch.

Beim Lesen dieses klugen und spannenden Romans musste ich immer wieder daran denken, dass es eigentlich der feuchte Traum vieler national-religiöser jüdischer Israelis war und ist, eines Tages aufzuwachen und festzustellen, dass die Araber bzw. Palästinenser alle verschwunden sind. Und die übrigen jüdischen Israelis, auch wenn sie das nicht träumen, hätten nichts dagegen.  Leider aber wachen die Israelis jeden morgen auf und müssen feststellen, dass die Araber, die man jetzt Palästinenser nennt, immer noch da sind.

Beim Lesen dieses Buches wird mir klar, wie wenig jüdische Israelis von den arabischen Israelis wissen, wie wenig sie sich für sie interessierten und wie wenig sie ihre Nachbarn kennen. Ein israelischer Freund aus der Mittelklasse wollte sich mir und meinen deutschen Freunden gegenüber als Humanist und Araberfreund präsentieren und gab an Araber zu kennen. Es stellte sich heraus, dass der einzige Araber, den er kannte, der Gärtner war, der im städtischen Parkt die Pflanzen pflegte, mit dem er aber keinen gesellschaftlichen Kontakt hatte. Andere Araber kannte er nicht und schon gar nicht aus seinem Bildungsmilieu. Wozu auch?

Dann stieß ich auf Seite 206 auf eine Stelle, die mich an Jakob Wassermanns Gedicht aus seinem Buch „Mein Weg als Deutscher und Jude“ erinnerte, wo er schreibt: „Bei der Erkenntnis der Aussichtslosigkeit der Bemühung wird die Bitterkeit in der Brust zum tödlichen Krampf“. Diesen Krampf habe ich auch bei Ibtisam Azem gespürt, wenn sie schreibt: „Ab und zu sprechen wir ganz ruhig. Meistens schweigen wir…Wir hassen euch. Wir gehen auf euch zu. Lieben euch sogar als Menschen. Wir imitieren euch. Wir glauben euch. Und wissen doch, dass wir zuallererst uns selbst belügen.“

Und sofort kommt mir in den Sinn Jakob Wassermanns Gedicht in seinem Essay „Mein Weg als Deutscher und Jude“: „Es ist vergeblich, das Gift zu entgiften. Sie brauen frisches. Es ist vergeblich, für sie zu leben und für sie zu sterben. Sie sagen er ist ein Jude.“ Und die nationalen Juden in Israel sagen: „Er ist ein Araber.“ Die anderen schweigen. Und die Minderheit, die darüber spricht, gilt als Landesverräter.

Auf die angebliche Entschuldigung der Juden dafür, dass sie den Palästinensern das Land geraubt haben, weil es nur eine Wüste gewesen ist und sie es fruchtbar gemacht und modernisiert hätten, antwortet die Autorin ruhig und klug: „“Und selbst wenn es nur Wüste gewesen wäre – die Lüge, an die ihr glauben wollt, gibt euch noch lange nicht das Recht uns zu töten und zu vertreiben.“ Und man möchte hinzufügen: Wir haben euch nicht darum gebeten.

Man fragt sich, wer die Vergangenheit wie ein Mühlstein am Hals mit sich trägt – die Juden oder die Palästinenser. Letztere verfolgen ihre Geschichte bis zu Nakba und kommen nicht davon los. Die Juden aber verfolgen ihre Geschichte bis zu den Pogromen in Russland im 19. Jahrhundert und kommen vom Antisemitismus nicht los.

Das Buch handelt davon, dass das Verschwinden der Araber für die Israelis keine Freude und Festtagsstimmung verursacht, sondern wie eine dunkle Wolke über das ganze Land hängt und die Menschen eher verunsichert als erfreut. Man fragt sich, ob das wirklich so sein wird, oder ob es bloß ein Wunschdenken der Autorin ist.

Manche sehnen sich nach ihrer Rückkehr. Die meisten haben aber Angst, dass sie ihnen das antun, was sie den Arabern angetan haben. Besonders grausam wird die Szene einer Vergewaltigung bei der Vertreibung der Palästinenser 1948, die für die Palästinenser die Nakba ist. Ibtisam Azem gelingt es die angeblichen Gewissensbisse der Vergewaltiger als Heuchelei zu demaskieren und bloßzustellen. Man hat die Urbevölkerung vertrieben und jetzt, wo sie nicht mehr da ist, kommen plötzlich Gedanken der Reue und Entschuldigung auf. Es gibt aber niemanden mehr, bei dem man sich entschuldigen könnte.

Eines wird aber sehr bald klar. Ibtisam Azem kennt die Israelis sehr gut und kann sogar ihre geheimsten Gedanken und Wünsche lesen. Sowohl der jüdischen wie auch der arabischen Israelis. Sie weiß, dass die Juden, mit all ihren Atombomben, ihrer grenzenlosen militärischen Überlegenheit, ihrer Arroganz und Selbstgerechtigkeit, eigentlich Angst haben vor den Palästinensern. Sie wünschen sie zum Teufel, aber sie können ohne sie auch nicht leben.

Die Juden sind zwar überrascht, aber nicht traurig oder gar entsetzt über das Verschwinden der Araber. Sie würden zwar gerne wissen, wohin sie gegangen sind, aber sie betonen selbstgerecht und zum Teil heuchlerisch, dass sie niemanden gezwungen haben zu gehen. Ist das nicht auch die Geschichte, die man heute in israelischen Schulen lernt, dass die Palästinenser „von selbst“ geflohen sind?

Sie betonen, dass die Auswertung der Überwachungskameras an öffentlichen Plätzen keinerlei Auffälligkeiten zutage gefördert haben. Ariel und manche anderen liberalen Israelis verdächtigen die Regierung, aber sie haben keine Beweise. Andere sind froh: „Endlich sind wir diese schwarzen Schlangen los.“ Und manche Selbstgerechte meinen heuchlerisch: „Ich verstehe nicht, weshalb sie uns das antun.“ Da denkt man daran, dass die Deutschen den Juden nie vergeben werden, dass sie sechs Millionen Juden ermorden mussten.

Die Mehrheit aber schweigt und wartet auf Anweisungen der Regierung. Es bleibt schlicht undenkbar, dass man in einem Land mit dermaßen vielen Überwachungskameras nicht weiß, wohin mehr als vier Millionen Palästinenser verschwunden sind. Die Häuser wirken überhaupt nicht so, als hätten ihre Besitzer beabsichtigt, sie zu verlassen.

Das versetzt mich als Leser in das Jahr 1948, als meine Familie, kaum das wir aus einem DP-Lager in Europa angekommen sind, in eine arabische Wohnung im arabischen Teil von Haifa von den Behörden einquartiert wurden, meine Eltern, mein jüngerer Bruder und ich, und ich war damals drei Jahre alt. Die Wohnung wirkte nicht, als hätten ihre Besitzer beabsichtigt, sie zu verlassen. In der Küche war noch das Essen auf dem Tisch und wir fanden alles vor, was wir für die Wohnung benötigten. Eine vollständig eingerichtete Küche, Betten, Sofas, Kleider und sogar Kinderschuhe und vieles mehr. Dabei spielt doch das Buch von Ibtisan Azem im hier und heute, im bereits seit mehr als 70 Jahren existierenden Israel. Damals erlaubte David Ben-Gurion nicht die Rückkehr der Vertriebenen. Man nannte sie Anwesende-Abwesende. Die Angst davor blieb wie ein Albtraum bis heute.

Es geht im Buch immer wieder um die Nakba, denn was wir in der Welt um uns herum sehen, ist unerträglich. Nicht nur die Kriegsverbrechen von 1948, sondern auch die Art und Weise wie die Palästinenser heute behandelt werden und wie unerträglich die israelische Kälte und Selbstgerechtigkeit ist. Galit, eine junge Soldatin, die am Checkpoint Qualandia Dienst tut, beschwert sich: „Wie sollen wir ihnen jemals vertrauen? Wir geben alles, um den Palästinensern an den Checkpoints den Alltag leichter zu machen. Aber was tun sie? Sie widersetzen sich.“ Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man lachen. Aber leider muss man hier doppelt weinen. Über die gequälten Palästinenser und über die heuchlerischen Israelis. Und wenn ein israelischer Soldat einem Palästinenser demütigt, wundert er sich noch darüber, dass man den Palästinensern den Wunsch nach Rache von den Augen ablesen kann. Das ist wohl das, was die Israelis unter „humaner Besatzung“ verstehen.

Und so geht es bis zum Schluss. Manche räsonieren sogar darüber, dass das Verschwinden der Araber die „sauberste“ ethnische Säuberung sei, die die Menschheit je gesehen hat. Man liest und liest und wartet auf eine Lösung und man ist schon auf der vorletzten Seite und hofft, dass auf der letzten Seite die Lösung kommt, dass nämlich alles ein böser Albtraum war. Das der Erzähler aufwacht und alles ist wie gehabt. Aber nein. Den Gefallen tut uns die Autorin nicht. Es bleibt dabei, dass die Palästinenser verschwunden sind. Und da denkt man an die Nakba, die für die Palästinenser ihre nationale Shoa ist und versteht, was uns die Autorin sagen will. Nein, die Shoa ist nicht die Nakba, man kann nicht gleichsetzen. Aber vergleichen kann und darf man doch. So wie die Welt bei der Shoa geschwiegen hat, so schweigt sie auch bei der Vertreibung und Behandlung der Palästinenser im Buch und in der Wirklichkeit.

Ariel der von sich glaubt ein liberaler „guter“ und „anständiger“ Mensch zu sein und sich in der Wohnung seines arabischen Freundes einquartiert, um sie, so glaubt man, zu bewachen und die Rückkehr seines Freundes nicht zu verpassen, übernimmt auf der letzten Seite des Romans die Wohnung und kann nicht schnell genug das „Türschloss wechseln“, noch bevor das neue Gesetzt in Kraft tritt, dass nämlich alles Eigentum der Araber, die bis drei Uhr nicht zurückgekehrt sind, verfällt. Er hat keine Skrupel dabei und keine Gewissenbisse. Warum auch? Es ist alles legal und wenn man kein Gewissen hat, kann man auch keine Skrupel haben.

So haben auch viele Juden 1948 arabische Häuser und Wohnungen, teure Möbel und wertvolle Bibliotheken erbeutet. Alles absolut rechtmäßig mit Erlaubnis der verabschiedeten Gesetze. So wie es auch die Nazis gemacht haben. Nur dass Juden von den Nazis beschlagnahmtes Eigentum zurückerhielten. Araber aber nicht.

Nirgends im Buch klagt die Autorin an. Sie beschreibt nur ungewöhnliche aber offensichtlich vorhandene Verhältnisse ruhig und ohne Verbitterung und Hass. Sie zeigt, dass auch gute Menschen böses und menschenrechtwidriges tun können, ohne es zu merken und ohne deshalb ein schlechtes Gewissen zu haben. Die Menschen haben die Wahl. Wenn sie bloß immer das Richtige wählen würden. In einer frei erfundenen Rede sagt der Ministerpräsident, der im Buch nicht Bibi sondern Titi heißt: „Diese außergewöhnlichen Umstände verlangen außergewöhnliche Schritte und den Zusammenhalt aller Kräfte von links bis rechts. Von heute an gibt es kein Links und Rechts mehr, keine Säkularen und Religiösen.“ Ist das nicht der Traum aller Diktatoren? Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“, ist das bekannteste Zitat von Wilhelm II als er sein Volk in den Ersten Weltkrieg schickte.

Ibtisan Azem gelingt ein eindruckvolles, originelles Plädoyer wider das Vergessen und für ein friedliches Zusammenleben. In ihrem Roman trifft die Autorin unseren Nerv mit einer Fiktion, die ebenso fasziniert wie bewegt ist. Man weiß von Anfang an, dass die Geschichte nicht möglich ist und wartet doch neugierig auf eine Lösung, die es aber im wirklichen Leben nicht gibt.

 

 

Könnte Putin zu Deutschlands Erretter werden?

God save America, beten die einen, und die betenden Amerikaner respektieren die Beschlussfindung in Europa, glaubend, dass der Brüsseler Moloch und die einzelnen Regierungen von den Völkern wirklich gewollt seien, wie sie sind. Die Amerikaner benutzen aber keine Vergrößerungsgläser, wenn sie unseren Mikrokosmos betrachten. Dann sähen sie, dass in Deutschland eine Minderheit von östlichen und linken Zwergländern, die selbst nur 40% der Bevölkerung repräsentieren, die Bevölkerung der Hauptbundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, die zusammen 60% der Bundesbevölkerung ausmachen, im Bundesrat (69 Sitze) dominieren. Die Hauptbundesländer, deren Bevölkerung die schwachen Länder finanzieren, haben nur 24 Sitze und sind quasi tributpflichtig.
Was das Bundeseinheits- Wahlvolk betrifft, wird alles rechts von der CSU – wie immer sie sich organisieren mögen als Republikaner, NPD oder AfD etc. – im Keime verteufelt, skandalisiert und ausgegrenzt, so dass diese Gruppen tatsächlich Opfer innerer Radikalisierung werden müssen. Dann können die Linken die Mehrheit spielen.

Einmal bei den Republikanern gewesen bedeutet immer ein Nazi zu sein. Radikale Linke können dagegen wieder in den Schoß der „allgemeinen“ SPD zurück und gelten als geläutert oder abgeschliffen. In der Logik dieser Tendenz werden nur linke Experimente zulässig und linke Sünden verzeihlich, rechte Sünden kommen politischen Todsünden gleich. Folglich endet Europa notwendig so, wie die spanische Republik um 1936 enden musste: entweder kommt ein Militärputsch oder es kommt Putin.

Kann uns ein Militärputsch retten? Erst einmal sollte man fragen, ob dies nötig wäre. In Chile wurde es nötig, als die Allenderregierung das wirtschaftliche Chaos angerichtet hatte. Die gegenwärtige Bundesregierung schaltete gerade die letzten 3 Atomkraftwerke ab. Sie hatten zuletzt noch 5% des Stroms produziert. Brauchen würden wir 20 Atomkraftwerke, um den aktuellen Strombedarf zu decken. Man glaubt, wie im Mittleren Westen der USA es die vereinzelten Farmen schaffen, bei uns mit Windkrafträdern die dichte Bevölkerung versorgen zu können. Strombedarf der Industrie? Niemand weiß es. Wo gibt es aber genug Wind, dass sich diese Dinger permanent drehen würden? An der Küste vielleicht. Deswegen baggert man die Braunkohle weiter ab. Man verbraucht unsere fossilen Reserven, die dann doch wieder zu CO2 verbrannt werden, um Strom zu erzeugen. Parallel hierzu dekretiert man in Brüssel das „Aus“ für Benzin- und Dieselmotoren, die binnen 12 Jahren durch Elektroantriebe kompensiert werden sollen. Das wird eher das Aus für die private Mobilität bedeuten. Das Umland um die kleineren Städte wird ohne private Mobilität unbewohnbar, und die kleineren Städte bekommen Existenzprobleme.
Um was geht es? Um die Beseitigung der individuellen Mobilität und ihre Ersetzung durch eine kollektive.
Man kann also davon ausgehen, dass das Land in soziale Schwingungen geraten wird. Diese werden aller Wahrscheinlichkeit verstärkt durch allgemeine Ungerechtigkeiten: die Herrschaft pensions- und versorgungsprivilegierter Beamtenkasten, die Raubbesteuerung des privaten Besitzes, den Unterhalt von überlebten, verkindischten Rundfunkanstalten und Ausfällen bei Renten- und Krankenkassen, die immer mehr Leistungen aus dem Programm streichen. Theoretisch kann das nur ins wirtschaftliche Chaos führen.

Man kann nach historischen Vergleichen suchen. Der sicherste Vergleich lässt sich mit der Bevölkerungsimplosion der alten Welt ziehen: da hatten wir die große Pest von 1349, als ein Drittel der Einwohner der Mitte Europas hinweggerafft wurde. Als Konsequenz ging die deutsche Ostkolonisation zu Ende. Eine solche Epidemie hatte es um 550 schon gegeben, was dann zur Eroberung des Südteils des Römischen Reichs durch die Araber führte. Damit brachen alte Versorgungsverbindungen für Europa weg. Auch ohne Pest, unter der zunehmenden Tyrannis der Römischen Kaiser verarmte die Reichsbevölkerung, so dass abenteuerlustige Germanenkönige sich ganze Provinzen erobern konnten.

Irgendwie geht es trotz allem immer weiter und niemand fragt in hundert Jahren, wer zwischenherein auf der Strecke blieb. Die Erde als solche dreht sich auch ungeniert weiter. Aber was kann der Historiker den Gegenwartlern vermitteln, deren Kinder morgen noch auf der Erde leben, wenn die „Generation Z“ schon verrentet ist? Wir haben keine Pest, keine Kaiser und die Moslems wollen bei uns nur schaffe. Wir haben wohl einen dramatischen Bevölkerungsrückgang.
Deswegen wird es keinen rettenden Militärputsch geben, weil es an Soldaten fehlt. Deutschland hat – inklusive der Immigrantenkinder – noch 600.000 Geburten. 1948 waren es 800.000, wobei dieser Jahrgang als geburtenschwach gilt. Wir sind heute schwächer als schwach. Die Jünglinge von 1948 rückten 1968 zur Bundeswehr ein, 50.000 je Quartal, bei 50% Untauglichen und Verweigereren. Nimmt man diese Prozentsätze als realistisch an, stünden von 300.000 männlichen Geburten anno 2004 im Jahre 2024 nur 150.000 für einen Wehrdienst zur Verfügung. Ein Viertel ist gar nicht mehr da. Im Ersten Weltkrieg wartete Deutschland mit 1 Million männlicher Geburten je Jahrgang auf. Die späteren Militärputsche scheiterten dennoch. Nicht nur das deutsche Verteidigungskonzept ist seit Jahrzehnten nur eine Illusion, auch jede Hoffnung auf einen rettenden Militärputsch ist illusorisch.
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Damit ist es nicht abzuhaken und zum weiteren Gang as usual in den Untergang fortzufahren. . Die heutigen Schwachjahrgänge führen im zivilen Wirtschaftsleben bereits zu Nachwuchsproblemen. Der Baubranche fehlen Facharbeiter ohne Ende, gerade wo 60% der Autobahnbrücken als marode gelten. Ersatz durch industrielle Fertigung in China? Die industrielle Vorfabrikation verlangt Mindestproduktionszahlen, um überhaupt wirtschaftlich zu sein, trifft aber auf schwindende Käuferschichten.

Wie man es dreht oder wendet, wir steuern materiell auf schwierige Umstände zu, die durch ideologische Ambitionen noch verschärft werden. Theoretisch könnte man davon ausgehen, das der CO2 Ausstoß allein durch den Bevölkerungsrückgang halbiert werden muss, aber man plant eine Elektrifizierung, als würde sich die Bevölkerung verdoppeln. Gleichzeitig könnte mit Windkraft- und mit Solaranlagen dieses Chaos dramatisiert werden. Daher könnten dann, wie die Hunnen um 450 oder wie die Mongolen um 1240, wie die Türken um 1500, die Russen um 2030 in Europa einfallen und zappzarapp machen. Idioten gibt es genug, die sie als Befreier begrüßen werden, während ihnen kaum Widerstand geleistet werden dürfte. Ojektiv befreiten sie uns tatsächlich vom Irrsinn grün-sozialistischer Meinungsführer und Haschkonsumenten. Die Spanier brauchten 500 Jahre um die moslemische Herrschaft wieder abzuschütten. Saubere Aussichten. Und Hasch? Das lässt an Afghanistan denken und gibt ein Stichwort der Hoffnung: Gegen die Russen siegten damals die Taliban, Schüler des Koran. Funkt es? Wir müssten Schüler unsere klassischen Philosophie werden, die auf dem Schlachtfeld von Marathon die Asiaten besiegt hat.
Und womit beginnen? Mit einer Art Vesper wie in Sizilien: das Christentum als Bad der Idiotie samt seinen Kindern ausschütten.

von Lobenstein

Über die Nakba sprechen lernen

von Charlotte Wiedemann

Um eine stabile jüdische Mehrheit zu sichern, vertrieb Israel bei seiner Gründung hunderttausende Palästinenser:innen. Das Geschehen von 1948 ist wie ein Brennglas für aktuelle Fragen: nach der Zukunft eines jüdisch definierten Staates und nach der Utopie eines gleichberechtigten Einheimischseins.

Opfer können unter verschiedensten historischen Umständen ein Gefühl der Scham entwickeln. Die erste Generation jener, die ihre Heimat Palästina verloren, empfand die Scham, vertrieben worden zu sein, sich nicht ausreichend gewehrt zu haben. Die Scham erzeugte Schweigen, die Sprachlosigkeit der Eltern gegenüber den Kindern in den Flüchtlingslagern.

Formularende

Nicht sprechen können, nicht sprechen wollen, nicht sprechen dürfen, all dies kreuzt sich im Begriff al-Nakba; die Katastrophe, wie es im Arabischen heißt, hat Tiefendimensionen jenseits dessen, was politisch lapidar aufgezählt werden kann: Flucht und Vertreibung von 750 000 Männern, Frauen und Kindern zwischen Herbst 1947 und Frühling 1949, die folgende Konfiszierung von Eigentum und Land, die Zerstörung von mehr als 400 Dörfern. Und bis heute ein Verbot der Rückkehr.

Zu erkennen, welches Unrecht bei der Gründung eines Staates begangen wurde, dessen jüdische Bürger:innen zu einem Drittel Überlebende des Holocaust waren, fällt besonders Deutschen schwer. Massaker an wehrlosen Zivilist:innen, mit dem Ziel, Fluchtbewegungen auszulösen, fügen sich nicht in das Idealbild eines progressiven, humanistischen jüdischen Heimstaats. Manche meinen, bereits das Aussprechen des Begriffs Nakba sei antisemitisch, ziele er doch auf die Delegitimierung Israels.

Diese beinahe religiöse Scheu ist keineswegs nur ein Echo auf israelische Geschichtsdoktrinen, sondern gleichermaßen ein Resultat genuin deutscher Psychodynamiken. Obwohl eine Anerkennung der Nakba den Jahrhundert-Schrecken der Shoah nicht um ein Jota mindert, herrscht offenkundig die Furcht, der kollektive Opferstatus der jüdischen Staatsgründer könne beeinträchtigt werden. Vielmehr sollen sie makellos reine Opfer sein, damit ein zentrales Element deutscher Erinnerungskultur funktioniert: Die Identifikation mit dem jüdischen Staat erlöst von eigenen Schuldgefühlen.

„Nicht sprechen können, nicht sprechen wollen, nicht sprechen dürfen, all dies kreuzt sich im Begriff al-Nakba.“

Über die Nakba sprechen zu lernen, bedarf einer Überwindung solcher Dynamiken. Dabei dürfen politische Ambiguitäten im Blick auf die Zeitgeschichte durchaus bleiben: Grausamkeiten gegen Zivilist:innen gab es auf beiden Seiten während der Kämpfe zwischen 1947 und 1949, zunächst einem jüdisch-palästinensischen Bürgerkrieg und – nach der Staatsgründung im Mai 1948 – dem israelisch-arabischen Krieg. Auch tragen die Vereinten Nationen und die arabischen Regime gravierende Mitschuld an der palästinensischen Tragödie.

Nur ist es eben auch eine geschichtliche Tatsache, dass die zionistischen Protagonisten eine demografisch klare jüdische Mehrheit für den neuen Staat wollten. Und eine solche Mehrheit sah der UN-Teilungsplan vom November 1947 nicht vor. Er begünstigte zwar die jüdische Minderheit in Palästina, indem er ihr mehr als die Hälfte des Territoriums zusprach. Doch wären in dem so konzipierten Staat 45 Prozent der Einwohner:innen arabisch gewesen – ohne die Nakba. Am Ende der Kämpfe hatte Israel einen Staat, der flächenmäßig größer war als von der UN vorgesehen, mit nur 20 Prozent arabischen Einwohner:innen.

War die Nakba unvermeidlich?

Die Vorstellung, es habe ein direkter Weg von der frühen jüdischen Besiedlung Palästinas ab 1882 bis zur Nakba geführt, wäre indes unhistorisch. „Dass die Schaffung einer jüdischen Heimat mit der Zerstörung der palästinensischen Heimat einher ging, war keine in die Geschichte eingeschriebene Notwendigkeit“, schreibt der israelische Historiker Alon Confino. Neuere Forschung gelangte zu einem differenzierten Bild, wonach sich die Bereitschaft zur aktiven Vertreibung erst im Jahrzehnt vor 1948 erhärtet hat.

Bis in die Mitte der 1930er Jahre koexistierten in der zionistischen Bewegung noch zwei einander widersprechende Positionen: Die eine erkannte nationale Rechte der Araber:innen in Palästina an, die andere verneinte sie. Den Gedanken an einen sogenannten Transfer von Palästinenser:innen gab es im Zionismus zwar von früh an, doch deren drastische Reduzierung galt erst ab 1936 als unabdingbar für den Erfolg des Staatsprojekts. Weil die Siedlergemeinde durch den Zustrom Geflüchteter aus Europa gewachsen war – und weil der Vormarsch des Ideals ethnischer Homogenität in Europa, obwohl so sehr zu Lasten der Juden, auf den Zionismus abfärbte und auch für Palästina die Idee eines möglichst homogenen ethnonationalen Staats forcierte.

Solange das Ausmaß des NS-Mordprogramms nicht absehbar war, bestand die Vorstellung, die Zahl der Palästinenser:innen müsse verringert werden, um bei Kriegsende Platz für Millionen von Neuankömmlingen zu schaffen. Nachdem die Shoah schreckliche Gewissheit geworden war, schien der künftige Staat andernfalls nicht genug Juden und Jüdinnen für eine Bevölkerungsmehrheit zu haben. Der Holocaust verlieh der Nakba den letztnötigen moralischen Rückhalt und den beteiligten jüdischen Kämpfern die notwendige Unerbittlichkeit. Das schlechte Gewissen der westlichen Welt tat ein Übriges: Der Westen hatte die jüdischen Flüchtlinge 1945 zum zweiten Mal im Stich gelassen und das Problem der Displaced Persons nach Palästina abgeschoben. Nun wurde die Staatsgründung welthistorisch aufgeladen, und die Nakba verschwand für Jahre hinter einem Vorhang – was nur möglich war, weil die Stimmen arabischer Historiker im anglophonen Raum nicht zählten.

Es gibt ein Detail, das aufschlussreich ist für die Atmosphäre von 1948: die spontane Bereitschaft jüdischer Zivilist:innen, sich den Besitz vertriebener und geflohener Nachbarn anzueignen. „Die Plünderung war eine Volksbewegung von unten, an der sich Juden aus allen Gesellschaftsschichten beteiligten“, schreibt Alon Confino. „Sie signalisierte die imaginäre Gewissheit, dass die Palästinenser nicht zurückkehren würden und dass sie im jüdischen Staat keinen Platz hätten.“

Wenn man eine solche imaginäre Gewissheit ebenso bei den jüdischen Milizionären und Soldaten voraussetzt, relativiert sich die früher heiß diskutierte Frage, ob sie aufgrund eines expliziten Vertreibungsbefehls handelten. Wie der Historiker Benny Morris berichtet, entschied die künftige Staatsspitze am 12. Mai 1948, in der zwei Tage später verkündeten Unabhängigkeitserklärung die Grenzen des neuen Staates nicht zu benennen. David Ben-Gurion war zuversichtlich, Israel könne bei Kriegsende mehr Territorium kontrollieren als im UN-Plan vorgesehen, und so kam es: Die Soldaten besetzten etwa das westliche Galiläa, im UN-Plan für einen arabischen Staat vorgesehen. Expansion und „Transfer“ gingen Hand in Hand.

Auf Fotos von 1948 erscheint die Nakba vor allem als ländliches Ereignis: altersgebeugte Flüchtende mit Bündeln, barfüßige Kinder. Doch die Entwurzelung betraf gleichfalls die städtischen Intellektuellen. Aus Villen im westlichen Jerusalem wurden große Buchbestände geplündert; einen Teil verleibte sich die israelische Nationalbibliothek ein, wo bis heute eine Sammlung die Buchstaben AP in der Signatur trägt, für „abandoned property“. Der Bücherraub illustriert die Zerstörung kultureller Identität, die überwucherten Ruinen der Dörfer den ausgelöschten Alltag zwischen Brunnen und Kaktushecke.

Wer die Nakba erwähnt, bekommt wie in einem Abwehrreflex häufig eine andere Vertreibung entgegengehalten: jene der arabischen Juden und Jüdinnen aus mehrheitlich muslimischen LändernEtwa 900 000 verließen in den Jahren nach 1948 ihre Heimat; 600 000 von ihnen zogen nach Israel. Historiker:innen zeichnen von Land zu Land unterschiedliche Panoramen von Push- und Pull-Faktoren: Ein sich radikalisierender arabischer Nationalismus machte die jüdischen Nachbarn zu ungewollten Fremden; zugleich warb die israelische Regierung um dringend benötigte Einwanderer – bis hin zu Bombenanschlägen des Geheimdienstes in Irak und Ägypten, um Unschlüssige in Panik zu versetzen. In Israel empfing die Mizrachim dann oft Rassismus. Opfer der Geschichte waren zweifellos auch sie – und wir können die vertriebenen jüdischen Araber:innen und die vertriebenen muslimischen und christlichen Palästinenser:innen als Leidtragende zweier Nationalismen betrachten, die politisch gegensätzlich, gar verfeindet waren und doch im Kern verwandt.

Die Vertriebenen gegeneinander aufzurechnen, ist indes eine ethisch verfehlte Mathematik. Und der Vergleich unterstreicht, was die Nakba unterscheidet: Sie fand kein Ende, Heimatlosigkeit und Entrechtung setzen sich fort.

Die neue Definition des Begriffs Rückkehr

Kann eine Demokratie verteidigt werden, die im wesentlich nur demokratisch für Juden ist? Diese Frage des Jahres 2023 ist im Geschehen von 1948 bereits angelegt. Israel wollte eine klare jüdische Mehrheit nicht allein aus Gründen der Sicherheit, sondern um den demografischen Spielraum für eine parlamentarische Demokratie zu gewinnen. Um für sich selbst also Demokratie zu sein, vertrieben 650 000 jüdische Siedler eine Zahl von Palästinenser:innen, die mit 750 000 größer war als sie selbst.

Da der UN-Teilungsplan Bürgerrechte für Minderheiten verlangte, gewährte Israel den verbliebenen 130 000 Palästinenser:innen die Staatsangehörigkeit – und konfiszierte den größeren Teil ihres Landeigentums. Nach zionistischer Lesart war das Land historischer Besitz des jüdischen Volkes; folglich bestand auch gegenüber den Geflüchteten in den Lagern jenseits der Grenze keine moralische Verpflichtung, ihnen die Rückkehr zu gestatten.

Der Begriff Rückkehr war fortan für Juden und Jüdinnen aus aller Welt reserviert. Das 1950 verabschiedete Rückkehrgesetz sicherte ihnen auf Wunsch automatisch die Staatsangehörigkeit. Das war weitaus mehr als ein Asylprivileg für den Fall künftiger Verfolgung; hier wurde signalisiert: Dieser Staat ist Juden vorbehalten. Dennoch hat es gegen das Primat des Ethnonationalismus immer wieder zeitweiligen Einspruch gegeben. Selbst der Historiker Shlomo Sand, der mit seinem Buch Die Erfindung des jüdischen Volkes (2008) Israels Selbstdefinition radikaler Kritik unterzog, hält es keineswegs für unausweichlich, dass sich Israel „einer echten Demokratisierung seiner Rechtsgrundsätze dauerhaft verweigerte“.

Wie literarische Zeugnisse beweisen, war manchen jüdischen Beteiligten 1948 durchaus bewusst, wie ethisch prekär die Staatsgründung verlief; es wurden sogar Analogien zum Holocaust gezogen. Und vereinzelt weigerten sich Überlebende, nach ihrer Ankunft aus Europa in Häuser zu ziehen, wo die Teller jener anderen Geflohenen noch auf dem Tisch standen.

Was danach geschah, in weniger als einem Jahrzehnt, gleicht einem doppelten Auslöschen von Erinnerung: an den Akt der Vertreibung und an die vorherige Existenz der Vertriebenen. „Als Kinder spielten wir in der Nähe sogenannter verlassener Dörfer, und wir fragten niemals: Wohin gingen die Araber? Warum sind sie nicht da?“ berichtet der Holocaust-Historiker Omer Bartov, geboren 1954. Es habe damals zwei wirkmächtige Tabus gegeben: Nie über das europäische Gestern sprechen und nie über das Palästina von gestern. „Mit uns begann die Geschichte. Menschen wie ich galten als erste Generation von Einheimischen, während die Araber als die viel länger Einheimischen entnormalisiert wurden.“ Deren Einheimischsein gänzlich zu bestreiten sei dann Staatsraison geworden.

Anders als vor einigen Jahrzehnten wird die Nakba als bloßes Faktum heute von zahlreichen Israelis anerkannt, jedoch ohne Schuldbewusstsein. Ein kaltes Wissen, aus dem nichts folgen darf. Die Nakba in den Mittelpunkt jüdischer Ethik zu stellen, „mit störender Empathie“, wie der Jerusalemer Historiker Amos Goldberg fordert, ist eine radikale Außenseiter-Position.

Der Komplexität der Materie kann niemand entrinnen

Zum Zeitpunkt des UN-Teilungsbeschlusses von 1947 waren in den Vereinten Nationen die kolonisierten Völker noch kaum vertreten. Seitdem das anders ist, etwa seit 1975, wird die Entrechtung der Palästinenser in der Vollversammlung regelmäßig verurteilt. Deutschland und die Schweiz gehören zu jener Minderheit von Ländern, die sogar zum 75. Jahrestag ein Gedenken an die Nakba unterbinden wollten. Obwohl es ohne deren Anerkennung keinen Weg zu einem gerechten Frieden in Israel-Palästina geben kann. Sollten nicht gerade Deutsche diesen Weg unterstützen?

Wenn der Holocaust als überragende Ursache der Gründung Israels betrachtet wird, wie es in Deutschland üblich ist, wäre die Nakba doch Teil einer gemeinsamen Geschichte, der Geschichte des europäischen Antisemitismus. Doch so sehen es nur wenige. Nach der vorherrschenden Erzählweise sollen die 200 000 Palästinenser und Palästinenserinnen in Deutschland ihr Schicksal vom Holocaust ausgehend als unvermeidliche Folge des größeren Leids anderer betrachten. Tun sie das nicht, wird die rote Karte gezeigt: Antisemitismus!

Unter diesem Verdacht steht auch ein Begriff, der mit dem weltweit gestiegenen Interesse an kolonialen und postkolonialen Fragen in der Palästina-Solidarität geradezu in Mode gekommen ist: Siedlerkolonialismus. Eines seiner wichtigsten Kennzeichen im Allgemeinen ist das Prinzip der Segregation: Im Unterschied zum Einwanderer, der sich in die örtliche Bevölkerung integriert, will der koloniale Siedler die Einheimischen, auf die er herabblickt, bestenfalls tolerieren, möglichst aber ersetzen. Die jüdischen Siedler hatten mit Arabern zuweilen gutnachbarliche Beziehungen, doch ihr Projekt zielte in der Tat auf räumliche und soziale Trennung. Und die Araber standen aus jüdischer Sicht auf der Fortschrittskala der Zivilisation beträchtlich weiter unten.

Um zu begreifen, wie es zur Nakba kommen konnte, bietet der siedlerkoloniale Rahmen einen wissenschaftlich legitimen Ansatz, jedoch keine erschöpfende Erklärung. Der palästinensische Philosoph Raef Zreik hat dies in folgende Worte gefasst: „Der Zionismus ist ein siedlungskoloniales Projekt, aber nicht allein das. Er verbindet das Bild des Flüchtlings mit dem Bild des Soldaten, des Ohnmächtigen mit dem Mächtigen, des Opfers mit dem Verfolger (…). Die Europäer sehen den Rücken des jüdischen Flüchtlings, der um sein Leben flieht. Der Palästinenser sieht das Gesicht des Siedlerkolonialisten, der sich sein Land aneignet.“

Die bekanntesten Siedlerkolonialismen der Welt endeten mit der Beinahe-Vernichtung der Einheimischen (Australien, USA) oder mit der antikolonial erkämpften Ausweisung der Siedler (Algerien). Für Israel-Palästina kann es hingegen keine Lösung geben ohne die Anerkennung jüdischer Selbstbestimmung – wegen der Shoah, aber auch weil die jüdischen Israelis, ob man sie nun ethnisch als Volk betrachten will oder nicht, zweifellos eine nationale Identität an Ort und Stelle entwickelt haben, wie die gegenwärtigen Massenproteste illustrieren.

Genaues Sprechen ist also ratsam, als Ausdruck intellektueller Sorgfalt, aber auch als ethische Selbstversicherung in einem oft toxischen Diskurs. Bereits die Forderung nach gleichen Rechten für alle zwischen Jordan und Mittelmeer, also die demokratische Utopie eines gleichberechtigten Einheimischseins, steht bei jenen unter Antisemitismus-Verdacht, die sich jüdische Existenz nur als Suprematie vorstellen können. Und genau dies ist der Scheitelpunkt, wo sich Zeitgeschichte und Tagesaktualität treffen – die Nakba als historisches Geschehen und als fortgesetzte Möglichkeit.

Die Charakterisierung von Raef Zreik, der Zionismus sei „eine andauernde Revolution, die sich weigert, ein Rechtsstaat zu werden, und ein ethnisch exklusives Siedlungsprojekt, das sich weigert, sich niederzulassen“, erweist sich mit Israels ultranationalistischer Regierung als hochpräzise. Die siedlerkoloniale Seite Israels wird auf die Stufe Turbo gestellt, wenn Benjamin Netanjahu die Besetzung der Westbank folgendermaßen wegdefiniert: „Das jüdische Volk hält sein Land nicht besetzt.“

Militante Siedler skandieren dieser Tage vor Fernsehkameras „Wir wollen Nakba!“, während manche Deutsche glauben, sie dürften das Wort nicht einmal für die historischen Geschehnisse verwenden. Und der Evangelische Kirchentag verbietet eine  Ausstellung zum Thema auf seinem Großkonvent – ausgerechnet in Nürnberg, einer Stadt, deren dunkle Geschichte eigentlich zum Einsatz für universelle Menschenrechte verpflichtet.

 

Wann begann eigentlich der Holocaust?

Juristisch ist die Fragestellung an sich ganz harmlos, wenn man das StGB zugrundelegt: war der Holocaust ein tateinheitliches Verbrechen oder handelt es sich um ein tatmehrheitliches? Es kommt darauf an, wann man ihn beginnen lässt. Das wiederum ist eine historische Frage. Leider sind Geschichtskenntnisse mager. Als meist gewähltes Startdatum wird 1933 angenommen, sei es der 30.1 oder der 1.4.. Sowohl jüdische wie deutsche Stellen plädieren gerne auf „Tateinheit“ mit dem Beginn 1933.
Sie gehen dabei von einem weit vor 1933 gefasstem persönlichen Vorsatz des Führers aus, den er gleichsam zwanghaft als Reichskanzler in Angriff genommen haben soll: die Juden zu bekämpfen oder gar auszurotten. Sieht man es so, müsste man eigentlich den Beginn etwas früher in die Zeit der Weimarer Republik hineinlegen. Der Führer schrieb Mein Kampf schon 1924, wo er abschließend resümiert, man hätte 14/18 „50.000 der hebräischen Volksverderber so unter Gas halten sollen wie Millionen deutscher Landser unter Gas gelegen hätten“. Diese Polemik ist in sich absurd, denn es dienten mehr ls 50.000 „volksverderberische hebräische“ Frontkämpfer und sie alle lagen unter Gas. Was soll also diese Bemerkung? Sie rechtfertigt eine Judenzählung der deutschen Generalität.

Die Oberste Heeresleitung hatte 1916 eine Judenzählung befohlen, um zu beweisen, dass die jüdischen Mitbürger ihren militärischen Pflichten nicht ausreichend nachkommen würden wie Christen. Die Zählung ergab aber das genaue Gegenteil. Weimarer Institutionen, nicht nur der „Stahlhelm“, schlossen trotzdem, lange vor der Nazi-Zeit Juden aus ihren Vereinigungen aus. Die preußische Landesregierung verbot 1932 „Ausländern und Juden“ die Produktion von Filmen und die bayerische Landesregierung ließ schon 1923 die Ostjuden aus Bayern ausweisen (Anm.:sie hätte besser alle Preußen ausweisen sollen). An die „Judenmorde“ an Kurt Eisner und Walter Rathenau sei erinnert. Nimmt man Tateinheit an, dann müsste man den Beginn des Holocausts mindestens auf 1916 datieren, was wiederum Hitlers Verantwortung relativiert. Deswegen wehren sich die deutschen Tateinheitler gegen jede frühere Datierung als 1933. Sie verehren heute die Weimarer Republkk als „erste deutsche Demokratie“.

Trotzdem widersprechen weitere Fakten der Annahme überhaupt eines tateinheitlichen Holocausts, der vielleicht 1916 seinen Anfang genommen hätte. Wenn man unter Holocaust die großangelegte, „industrielle“ Ermordung von Juden sieht, als die geistige Vorgeschichte dieses Massenmordes ausklammert, dann reduziert man den Holocaust (wie Jean Marie Le Pen) auf ein Detail des Weltkrieges. Man kommt also nicht umhin, die Entwicklung der „Mordmoral“ zu untersuchen und stellt dann fest, dass die geistigen Voraussetzungen für die Morde wesentlich älter sind als die Nazi-Ideologie. Praktisch fehlt den historischen judenfeindlichen Maßnahmen die zusammenhängende Systematik und anfangs die Kraft, aus einer Judenfeindschaft heraus zum Mord an Juden zu schreiten. Ein solches Vorgehen bedarf einer Atmosphäre der allgemeinen Rechtswidrigkeit des Ordnungssystems, die sich nicht von heute auf mofgen entwickelt. Aber ein Krieg begünstigt jedes Unrecht.

Einen anderen Ansatz sehen andere in einer Erklärung in Mein Kampf (S. 129), wonach es „alle großen Volksführer verstanden hätten, die Feinde eines Volkes als einer einzigen Kategorie zugehörend darzustellen“. Denn, so das Argument des Führers als politischer Stratege, wenn dem Deutschen bewusst werde, dass nicht alle seine Feinde Unrecht und nur er Recht haben könne, würde er an seiner Position zweifeln. Also müsse man das Volk verbohren auf einen einzigen Feind. Dafür eigneten sich die Juden. Gegen Juden gab es in allen Volksschichten Vorbehalte. Die aktuellen Bemühungen eines Salomon Salzborn, Berliner Straßennamen zu entnazifiziren, können eigentlich nicht einmal vor der Kant-, der Bismarck- und der Goethestraße halt machen. Ganz Deutschland war zwar ein Hort des Antisemitismus, aber auch einer rechtlichen Ordnung, die keine Judenkrawalle erlaubte. Aber alle, bis auf Friedrich Nietzsche, waren judenfeidlich.

Vielleicht hatte der Führer bei seinen kriegspropagandatechnischen Überlegungen nicht an die Inlandsjuden gedacht, mit denen er 14/18 an der Front lag. Denn er kämpfte als Soldat des Regiments List, für das viele Juden aus dem bayerischen Ichenhausen rekrutiert waren. Sein EK I verdankte er dem Hauptmann Hugo Gutmann, und schon von früher hatte er Gefühle von Dankbarkeit gegenüber Eduard Bloch, dem Arzt seiner Mutter. Deswegen fragen sich einige Autoren sogar, ab wann Hitler Antisemit geworden sein könne. Er hat nicht den Antisemitismus erfunden und ihn nicht einmal zur Explosion gebracht, sondern er ist auf der Welle des Antisemitismus politisch gesurft. Friedrich Holländers Parodie „An allem sind die Juden schuld“ ist älter als Mein Kampf. Er parodierte einen allgemeinen Trend in Deutschland.

Hitler rettete „seine“ beiden jüdischen Gönner. Bloch, der Österreicher, konnte 1941 in die USA emigrieren und Gutmann ließ er vor der Gestapo nach Portugal entkommen. Der Führer könnte den latent aggressiven Judenhass der Deutschen unterschätzt haben, der sich unabhängig von der NSDAP offenbarte und der erst mit den Organisationen der Partei die giftigsten Blüten trieb. Selbst die Handwerkskammern schlossen nach 1933 jüdische Schüler von Lehrberufen aus, was nicht bedeutet, dass jüdische Schüler vor 1933 problemlos Lehrstellen im Handwerk hätten finden können.Gegen die Juden waren so ziemlich alle Organisierten eingestellt. Also wären Hitlers bloße Gedanken nicht geeignet, von ihnen auf einen tateinheitlichen Vorsatz zum Holocaust zu schließen. Rein geistig gesehen, keimte der Holocaust bereits seit der Hep Hep Bewegung und wurde 1848 erneut virulent. Wer für Tateinheit plädiert, kann für den Holocaust nicht „den Führer“ verantwortlich machen.

Gegen eine Annahme von Tateinheit spricht auch, dass die deutsche Politik nach 1933 die Auswanderung der Juden forcierte. Eine Vertreibung, die ein Drittel der staatsangehörigen Juden „rettete“, stünde im Widerspruch zur Annahme eines lange vor dem Krieg gefassten Vernichtungsplans. „Den Nazis“ genügte anfänglich, die schon seit 1930 geltende Reichsfluchtsteuer zu kassieren; erst später kam die Judenvermögensabgabe hinzu. Selbst wenn nur ein Drittel der jüdischen Bevölkerung auswanderte, passt dies nicht zur Annahme, dass der Holocaust schon vor dem Krieg auf dem Programm gestanden hätte. Eine solche Annahme lässt sich auch deswegen ablehnen, weil noch 1938 – vor der Reichskristallnacht – 50.000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit im Reich arbeiteten und sogar Sozialunterstützung beanspruchen konnten. Ihre Situation kann also nicht völlig rechtlos gewesen sein. Sie wurden Ende Oktober gewaltsam von Polizei, SS und Zoll nach Polen expediert. Unterstellt man, dass die religiöse Gemeinschaft um Leo Baeck nur 500.000 Mitglieder betreute und, daß es im Reich vielleicht 1 Million „Rassejuden“ vor 1933 gegeben habe, von denen inzwischen ein Drittel das Reich verlassen hätte, so sind zwischen 6 und 10% der Juden willentlich im Reich geblieben, aus dem sie mit ihren polnischen Pässen, jedenfalls vor 1938, unkompliziert hätten ausreisen können. Wiily Cohn berichtet in seinen Tagebüchern, dass er mit seiner Familie vor 1938 ganz offiziell in Palästina war, aber wieder nach Deutschland zurückkehrte.

Wolfgang Benz spricht in seiner Geschichte der Juden in Deutschland von 1933 bis 45 von der „Reichskristallnacht“ als von einem Scheitelpunkt. Das ist das falsch gewählte Wort, denn von einem Scheitel fällt das Gelände nach beiden Seiten hin ab. Wenn die Reichskristallnacht der höchste Punkt der bisherigen Entwicklung war, müsste nach dem Scheitel der Antisemitismus wieder abgeflaut sein. Dem war aber nicht so. Die Reichskristallnacht war der Anschluss der Judenpolitik an die auswärtige Politik der Gewalt, die damals Österreich und das Sudetenland dem Reich angegliedert hatte. Die Deutschen begannen sich an Brutalität zu berauschen. Sie waren plötzlich wieder mächtig. Die von der Propaganda und von der Partei inszenierte Volksempörung richtete in der Kristallnacht Schäden an, die von den deutschen Versicherungen zum erheblichen Teil gedeckt werden mussten. Wirtschaftlich betrachtet war die Reichskristallnacht ein Schuss in das eigene Bein. Sieht man diese Nacht im Zusammenhang mit den außenpolitischen „Erfolgen“, die objektiv gesehen wenig wirtschaftlichen Nutzen brachten, dann war diese Nacht nichts anderes als das innenpolitische Anschlußssignal zur allgemeinen Gewalttätigkeit und zum Willkürsystem. Hatte der Führer als Oberbefehlhaber der Wehrmacht noch eine Reichskristallnacht nötig? Eher nicht. Das waren seine Paladine, die nachziehen und Härte beweisen wollten.

Die Deutschen waren unfähig, die Risiken ihrer Politik einzuschätzen. Natürlich steuerten sie auf einen totalen Krieg zu. Mit der Rheinlandbesetzung hätte drr englische Angriff schon beginnen müssen. Wozu besetzt Deutschland seine entmilitarisierte Zone? Nur kann eine Demokratie wie England, zu dem damals demokratische Länder wie Australien und Kanada gehörten, einem Deutschen Reich keinen Krieg erklären, wenn es sein eigenes Rheinland besetzt, seine Armee modern bewaffnet, die erzwungene Trennung von Österreich überwindet oder, wenn es die ungerecht und böswillig gezogenen Grenzen zu Tschechien oder Polen korrigiert. In einer Demokratie ist die Kriegserklärung und die Mobilisierung der demokratischen Massen erst möglich, wenn es gegen unbestreitbares Unrecht gehen soll. Sogar Litauen gab noch vor dem Krieg das Memelland auf deutsche Aufforderung hin zurück. Wenn aber Deutschland ansetzt, sich ganz Polen zu unterwerfen, dann ist auch für die Regierung einer Demokratie eine Kriegserklärung zulässig. Das Unrecht muss also eklatant, selbst für den Teil der pazifistisch verblödeten Mitbürger muss es eklatent sein. Und in der Reichskristallnacht haben wir die geistige Eröffnung des Krieges, die außenpolitisch mit der Besetzung der „Resttschechei“ nachvollzogen wurde, auch wenn erst der Angriff auf Polen die englische Kriegserklärung zur Folge hatte.

Diese Differenzierungen zeigen, dass Kriegspolitik und Judenpolitik zwar nicht synchron laufen. Aber die Rechtsverletzungen der Reichskristallnacht ermunterten andere deutsche Stellen zu eigenen, auch außenpolitischen Rechtsverletzungen. So erscheint auch die spätere Wannseekonferenz vom Januar 1942 in einem anderen Licht. Als die ministerialen Spitzen erfuhren, welche Verbrechen während des Feldzugs 41 an der jüdischen Bevölkerung – unter offensichtlicher Zustimmung der vergötterten Wehrmacht – möglich waren, zogen diese Leute nach. Sie überlegten sogar, die geschützten Halbjuden noch zu eliminieren, die im Reich verbliebenen Auslandsjuden unter Verletzung interstaatlichen Rechts zu ergreifen und so weiter. Das ist so typisch für Deutschland, und so funktioniert es immer noch: hat eine Kommune Erfolg mit einem Programm, kopieren es die anderen. Wie will man von einer Nation von Kopiisten, Abkupferern und Nachäffern Verantwortlichkeit für eigenes Handeln erwarten? „Nachvollziehbar“ ist ein Lieblingswort in der deutschen Beamtensprache.

Hier liegt das elementare Problem.

Man erkennt bei der NS-Judenpolitik vordergründig überhaupt kein zusammenhängendes Vorgehen und auch keine originalen Ideen der einzelnen deutschen Behörden: die „Nazis“ (d.h. Gestapo und SS) unterstützten die illegale Einreise nach Palästina, und die oft abenteuerliche Anreise zu den Auswandererschiffen, während das Auswärtige Amt darin und im Haavara-Abkommen einen politischen Affront gegen die umworbenen Araber sah (Wolfgang Benz). Bezeichnend ist auch die Behandlung von Martha Liebermann, des großen Malers Witwe. Es war das Wirtschaftsministerium, das von ihr immer neue Gelder erpressen wollte, während die Gestapo sie längst in die Schweiz hatte ausreisen lassen (Bernd Schmalhausen).

Folglich ist der Holocaust als Ganzes ein eher tatmehrheitliches Verbrechen, und außerdem ein Verbrechen mit vielen autonomen Tatherrschern („mit vielen Vätern“). Für die ersten großen Massaker trägt ohnehin die Wehrmacht die strategische Verantwortung (vgl. Jean Lopez in: Barbarossa 1941). Weil die militärischen Effektiven im Feldzug von 1941 nicht ausreichten, das Hinterland für den Nachschubwegen zu sichern, ließ die Wehrmacht alle denkbaren potentiellen Feinde von der SS massakrieren. Dabei handelte die SS zwar in operativer Verantwortung, aber nach Plan der Strategen der Wehrmacht. Als der Feldzug dann trotz aller Maßnahmen scheiterte, bekam die SS Führung – verantwortlich für die operative Durchführung der Verbrechen – kalte Füße und nutzte ein Papier aus dem Sommer 41, zur Wannseekonferenz im Januar 42 einzuladen. Auffallend ist an deren Protokollierung, dass kein Vertreter der Wehrmacht teilnahm. Das erlaubt den Schluss, dass die SS hinter dem Rücken ihrer strategischen Auftraggeber handelte, um im Falle eines Friedens mit „Stalin“ nicht zum Bauernopfer werden zu können. Heydrich verstand es dabei, für seine SS nicht nur die Billigung ihrer Straftaten von allen Reichsbehörden zu erhalten, sondern bei diesen auch den Wunsch nach Verschärfung der eigenen Judenpolitik zu wecken. Auch hier deutet sich an, dass die Verbrechen nicht auf Hitlers Mist allein gewachsen sein können, sondern viel tiefer wurzeln. Nach Heydrichs Tod im Frühsommer 42 ging die SS ab Herbst 42 daran, wohl auf eigene Rechnung, die „Aktion Reinhard“ durchzuführen und in den Lagern Sobibor, Belcek und Majdanek Massenmorde zur Materialbeschaffung zu veranstalten. Adam Tooze (in: Ökonomie der Zerstörung) nennt dieses Vorgehem archaisch, atavistisch, brutal und plump. Diese Mordaktionen setzten sich fast das ganze Jahr 1943 noch fort, obwohl inzwischenl die Reichsregierung seit der Sportpalastrede von Dr. Goebbels einen Teil der Opfer lieber versklavt gesehen hätte. Man bemühte sich, für Deutschland das jüdische Arbeitskräftepotential in Ländern mit befreundeten Regimen zu erschließen. Niemand hat bisher erforscht, wie autonom sich die SS finanzierte, die gegenüber der Wehrmacht sogar privilegiert bewaffnet war. Auch hierfür muss es von einander unabhängige Quellen gegeben haben. Thomas Tobias Blatt, der die Flucht aus Sobibor überlebte, meint, der Betrieb des Lagers Sobibor habe der SS einen Gewinn von ca 150 Millionen eingefahren.

Rudolf Höß berichtet, dass er die Zigeuner zu vergasen veranlasst habe, nachdem das Wirtschaftsministerium für die Ernährung deren Kinder nicht mehr zahlte. Die Abgründe sind bei einer tatmehrheitlichen Betrachtung wesentlich tiefer und horrifizierender, als wenn man alles tateinheitlich auf den Führer und seine (10 Millionen) „Nazis“ schiebt. Denn die SS war durchaus realistisch in ihrer Ökonomie als Sklvenhalterei: ihr Interesse bestand letztendlich in ihrer Geld- und Arbeitskräftebeschaffung. Sie wollte dereinst Deutschland beherrschen. Dazu braucht man Geld ohne Ende. Ihre Quellen waren noch mager. Arbeitskräfte wurden vermietet. Sie wurden gewonnen, indem man sich pauschal „die Juden“ zur Umsiedlung ausliefern ließ, das Potential selektierte und gut 70% – vielleichg sogar aus Sparsamkeit – vergaste, um 30% als Arbeitrskräfte je Viehwagentransport gewonnen zu haben. Ruth Klüger, Simone Veil, Fania Fénélon und Seweryna Smaglewska beschreiben dies sehr eindrucksvoll selbst für Auschwitz Birkenau, das als Lagerkomplex durchaus ein „Arbeitslager“ war, weil die Arbeitsunbrauchbaren schon bei Ankuft Richtung Gaskammer geschleust wurden (für die Bezeichnung „Arbeitslager“ für Auschwitz verurteilte man eine alte Frau als Holocaustleugnerin), weil man die 70% nicht zur Arbeit brauchbaren Personen gar nicht in das Lager aufnahm, sondern kurz nach der Ankunft ermordete und verbrannte. Man könnte also von Auschwitz auch von Vernichtungsanstalt sprechen. Denn auch aus dem „Altersghetto“ Theresienstadt gingen laufend Transporte nach Auschwitz ab, natürlich nicht ins „Arbeitslager Birkenau“, sondern in die Vernichtungsanstalt Auschwitz (vgl. H. G. Adler). Deswegen ist es verharmlosend, von Theresienstadt gar als „Altersghetto“ zu sprechen, wenn es wie Birkenau ein Vorhof zur Vernichtungsanstalt Auschwitz war. Ingo Müller hat die Handlangerei der Justiz gut beschrieben, die heute die NS Aufarbeitungsprozesse in eigener Sache führt.

Resümee
Der geistige Holocaust begann 1916 mit der Judenzählung. Zum Unternehmen Barbarossa 1941 mit der Ermordung von ca. 600.000 Juden führt ein direkter Draht. Auch Jean Lopez stellt sich die Frage, ob die Massaker von 1941 auch von preußischen Offizieren durchgeführt worden wären; spontan sagte er „unmöglich“, aber nach kurzem Überlegen meinte er „ja“. Die Judenmassaker von 1941 gehören zum „German way of war“.
Denn ohne diese Verbrechen der Ermordung, der Versklavung der jüdischen Bevölkerung im deutschen Machtbereich und der Tötung verwendungsuntauglicher Sklaven hätte der ganze Krieg nach 1941 nicht mehr lange fortgesetzt werden können. Schon 1941 war der Feldzug nur durch die Massaker zu sichern, durch die man präventiv mordete. Die Bereitschaft zum Verbrechen, das jeden zivilisatorischen Rahmen sprengte, signalisierte im zivilen Bereich die Reichskristallnacht. Deswegen ist die Reichskristallnacht nur ein kollaterales Signal für die Gewaltbereitschaft der Bevölkerung. Der Holicaust, der von zu vielen deutschen Stellen in einzelne und eigene Verbrechen umgesetzt. Auch so gesehen kann man kaum von Tateinheit sprechen.

Was bedeutet das für uns heute?

….dass man diese nahe Vergangenheit mit der Gegenwart im Zusammenhang sehen muss. Die heutige, betont philosemitische Judenpolitik ist durchsichtig inszeniert (Barbara Steiner). Die Gallionsfiguren sind Marionetten, die gegen regimekritische AfD und rebellische Coronaschutzabstinenzler genauso wettern wie gegen Antisemiten. Die „Jüdische Allgemeine“ wird vom Evangelischen Pressedienst und der Katholischen Nachrichten Agentur (kna) gespeist, protestantische Alttestamentler greifen sogar nach Rabbinaten in den Synagogen (Abitall Gerstettner). Der preußisch-deutsche Staat von heute braucht jüdisches Leben zum Vorzeigen. Aber der Holocaust war genauso Ding des preußisch-deutschen Staates zuvor; die ersten Voraussetzungen für den Holicaust keimen bereits in den Befreiungskriegen, die Preußen mit Russland gegen Napoleon und seinen Rheinbund führte. Diesen Staat löste man 1945 auf und stellte die alten, von Preußen geschluckten Staaten wieder her. Das meiste preußische Territorium überließ man 1945 den Russen. Diese hätten die Deutschen Schlesiens nicht nach Westen vertreiben, sondern besser nach Kasachstan umgesiedelt. Ohne die Preußen im Westen hätte man ein paar zivilisierte europäische Länder deutscher Sprache haben können. Einzelne Länder schuf man zwar neu, etwa Rheinland-Pfalz und (Groß-)Hessen: diese basierten aber auf westlich orientierten Säulen.
Warum ließ man 1990 in verkleinerter Form das preußische Reich – Bundesrepublik Deutschland genannt – wieder zu? Weil die alte preußische Dynamik durch die Vertreibung der Preußen nach Westdeutschland erhalten geblieben war; die Siegermächte des Westdns hatten nur Osteuropa im Blick.
Im Ukrainekrieg erweist sich dieses neupreußische Deutschland als genauso hinterhältig wie das Reich unter der Reichskanzlerschaft Hitlers. Zur Verteidigung der Ukraine lieferte der deutsche Staat Gebhardpanzer ohne Munition, und mit horrender Verzögerung einige Leopardpanzer, soweit auch die Amerikaner Abrams lieferten. Es gab keine Notwendigkeit für dieses Junktim, das beide Panzertypen der Nagelprobe gleichzeitig aussetzt. Die Unterstützung der Ukraine überließen die Deutschen Polen, das seine MIG 29 direkt liefern musste, nachdem die Deutschen Ramstein für eine diplomatische Zwischenlandung gesperrt hatten. Das neue Deutschland ist nicht neu, es ist nach wie vor die alte preußische Beamtendiktatur, nur ohne Monarch und ohne Führer. Deutschland bekennt sich zum selben Berufsbeamtentum „nach überkommenen Grundsätzen“, das „die Nazis wiederhergestellt“ hatten. Ohne dynamischen Führer ist dieser Staat vielleicht nach außen hin nicht aggressiv, aber eine morsche Stelle im westlichen Verteidigungsystem. Innenpolitisch ist er höchst aggressiv gegen liberale Bürger. Seine geistige Affinität zu Russland würde auch einen Wladimir Putin als Bundeskanzler ermöglichen, was bislang die Phantasie der Russen überforderte. Wenn der Westen nicht weimarisch oder bräunlich verschmutzt werden will, muss er die Bundesrepublik Deutschland so bald als möglich auflösen. Die Mehrheitsverhältnisse sind manipuliert, das Land mehrfach gespalten und zu einer geordneten Regierung ist es unfähig. Seine Infrastruktur vergammelt, aber der Bürger wird zu Investitionen gezwungen wie früher zur Zeichnung von Kriegsanleihen. Bayern und Baden-Württemberg können ihren eigenen staatlichen Weg gehen, zumal Bayern größer ist als das unabhängige Österreich. Für Baden-Württemberg gilt das gleiche im Verhältnis zur Schweiz. Die linksrheinischen Teile des alten Bayern könnte man an Baden-Württemberg anschließen und Hessen Darmstadt mit Frankfurt wieder herstellen, was Preußen 1866 annektiert hatte. Der Norden? Er kann sich dann selbst finden. Ein Großsachsen, eine neue DDR, diesmal mit Berlin als ungeteilter Hauptstadt oder ein davon unabhängiges Westfalen? Ganz egal. Aber es geht ohne seine süddeutsche Basis keine Gefahr mehr von ihm aus. Warum sich der Westen 1990 um die Früchte seines Sieges von 1945 hat bringen lassen, kann nur der gleichen Träumerei von einem ewigen Frieden mit dem Russland aller Reußen und Preußen zugedacht werden.
Die Landkarte Europas bedarf so einiger gründlicher Umgestaltungen in ihrem Zentrum. Ceterum censeo Germaniam esse delendam.

von Lobenstein

Theologie und Ideologie

Hesiod erzählte den Mythos, dass Ouranos, von seinem Sohn Chronos entmannt, gestürzt und auf die Insel der Seligen verbracht wurde. Chronos errichtete mit seinen Geschwistern die Herrschaft des Göttergeschlechts der Titanen, von denen ein Nachkomme, Prometheus, die Menschen schuf. Das Göttergeschlecht der Titanen wurde von Zeus gestürzt, mit dem die Herrschaft der olympischen Göttern begann. Die Menschen wollten die neuen Götter auch gleich wieder von der Erde vertilgen, und schickten ihnen die Büchse der Pandora.

Der klassische Mensch überlebte Dank eigener Intelligenz und Schläue. Er hat ein gänzlich anderes Verhältnis zu den höheren Mächten als es den Orientalen überliefert ist, die Geschöpfe des (ewig) herrschenden Gottes sein wollen. Die Europäer errichteten den ihnen gefährlich erscheinenden Göttern prachtvolle Tempel nahe ihrer Siedlungen im Glauben, dass der geehrte Gott die Kultstätte seiner Verehrung nicht zerstören und nicht zerstören lassen werde. Es ginge auch um seine Ehre als Gott.

Mit Zunahme der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse wussten die Gebildeten, dass es gar keine Götter geben könne. Gegen diesen Atheismus bildete sich eine populäre Opposition (Carl Beloch), die im modifizierten Glauben an die Götterwelt ihre Mysterienkulte um Erlösung kultivierten. Der bekannteste Kult ist der der Demeter von Eleusis. Diogenes, dem man die unentgeltliche Einweihung in den Kult offerierte, wies das Ansinnen als puren Unsinn ab. Wer z. B. in Süditalien die Verehrung der Mutter Gottes mit dem Jesuskind beobachtet, empfindet, dass sich dahinter der Kult um Demeter mit der Kore verbirgt. Wie konnte es also dazu kommen, dass sich über 2000 Jahre lang religiöse Paranoien (William Hirsch) erhalten konnten, die zu einer Erlösung im Jenseits verhelfen sollten, und dass noch heute jeder Zweite Kirchensteuer zahlt wie eine Versicherungsprämie zur Hausratsversicherung für Fernseher und Eisschrank, die er sowieso binnen der folgenden fünf Jahre auf den Sperrmüll wirft? Das ist doch eigentlich die Kernfrage der Massenpsychologie.

Die klassische Theologie entwickelte um die Frage höherer Existenzen eine Theologie. Sie repräsentierte die Rangfolge der Götter und ergab die politischen Verhältnisse der Hellenen. Als die Makedonier und Griechen an 334 den Orient unterwarfen, verbreiteten sie auch ihre Mysterien. Es dürfte genau umgekehrt gewesen sein, als man heute lehrt: Nicht das Christentum ist als jüdische Sekte entstanden (von der ein Flavius Josephus nichts weiß), sondern Jesus dürfte hellenische Erlösungsmythen unter den Juden verkündet haben. Er wies seine Apostel auch an, nicht zu den Heiden zu gehen (Matth 10,5), sondern nach den 10 verlorenen Stämmen Israels zu suchen. Das passt dann auch zur Verurteilung durch Kaifas und uur vorzeitigen Kreuzabnahme durch die Römer. Drr Rest ist bekannt.

Die Moslems wie die Juden kennen nur einen einzigen Gott, von dem sie sich kein Abbild schaffen dürfen. Das Gebot verbietet auch eine gedankliche Skizze. Selbst seinen Namen zu nennen ist den Juden untersagt, die Jüdische Rundschau schreibt daher allenfalls von „G’tt“. Andreas Eisenmenger entdeckte 1694 auch nur einen kabbalistisch geprägten Rabbi, der dank des Bibelverses, dass „Gott die Weltkugel als Schemel nutze“, errechnete, welche Länge der Fuß Gottes von der Ferse zur Zehenspitze haben müsse; von dieser Fußgröße kalkulierte er alle Körpermaße des alten Jahwe. Das ist die logische Sackgasse, in die eine monotheistische Ein-Gott-Theologie führen muss. Im Monotheismus kann es keine Theologie im Sinne einer Wissenschaft von der Gottheit geben.

Der Christianismus kann dagegen wieder mit Theologie aufwarten. Der spirituell einzige Gott gliedert sich dort aus drei Personen, die – oh Mysterium – auch jeder für sich die ganze Gottheit darstellen. Durch dieses Axiom kratzt der Christianismus die Kurve zum Monotheismus. Logisch ist das nicht, denn wie soll Jesus „zur Rechten des allmächtigen Vaters sitzen“ können, wenn er mit diesem eins ist und beide zusammen nur einen Gott ergeben. Schleiermacher sagt daher, der Katholizismus sei überhaupt die profilierteste polytheistische Religion der Welt. Er spricht sterbliche Leute heilig, die dann im Jenseits wie schon bei den Römern unter die Götter (nun „Gemeinschaft def Heiligen“) aufgenommen sind; als „Heilige“, die nicht angebetet werden, zu denen aber der Katholik wallfahrten und beten darf, sind sie wie die früheren niederen Götter für besondere Anliegen unständig. Ricarda Huch ließ Wallenstein die Frage stellen, ob man aus dem Himmel auch eine Republik machen könne. Der Christianismus ist trotz aller Mystik politisch gesehen, sehr realistisch.

Gott, der Vater, also der jüdische Jahwe, wird in der christlichen Kunst in der Regel so dargestellt wie der alte Ouranos der Hellenen, ein Greis mit langem grauen Bart. Jesus, sein Sohn kann von den Umrissen des Turiner Leichentuches her den Menschen als Phantombild vorgestellt werden. Nur mit der Dritten Person Gottes verhält es sich kompliziert. Ein Heiliger Geist ist wirklich höchst abstrakt. Er, als Dritte Person der Gottheit, lebt nämlich seit dem Ur-Pfingsten mitten unter den Christen, aber niemand hat ihn je zu Gesicht bekommen. Folglich stellt man ihn als Taube dar, einen vermeintlich friedlichen Vogel, den es ubiquitär gibt. Trotzdem wird die Taube nicht wie bei Indern und Ägyptern andere Tiere zum heiligen Tier. Tauben werden gezüchtet und profan verspeist.

Die ewige Präsenz der Gottheit in der Person des Hl. Geistes in Staat und Kirche macht aus der christlichen Staatenwelt die Staaten zu abstrakten Göttlichkeiten. Eine extrem streng differenzierte Lehre von den beiden Naturen des Jesus – er sei unvermischt als ganzer Gott und als ganzer Mensch auf Erden gewandelt – muss streng eins zu eins auf den Staat übertragen werden, weil jeder Staat als humane Organisation menschliche Fehler begeht, sündigt, irrt und versagt, aber letztlich den theologischen Anspruch seiner Göttlichkeit nicht in Frage stellen lassen kann. Das macht die westlichen Staaten so stabil, auch wenn sie von degenerierten Monarchen und ausgemachten Dummköpfen geleitet werden. In der moslemischen Staatenwelt und seit 1948 auch wieder bei den Juden, rebelliert der Mensch gegen falsche Kalifen, und schon wackelt deren Staatsgebilde. für Juden ist ihre Obrigkeit nicht von Gott eingesetzt, ihr Staat ist kein Gott. Sie sind – bei aller Frömmigkeit – auf Bande von Sippen, Stämmen und Völkern angewiesen, was derzeit im Irak zutage tritt. Die westlichen Staaten beharren auf dem Fortbestand des Irak, aber die Kurden wollen ihre eigene Republik schaffen. Ebenso konnten unter den ersten Kalifen arabische Stämme ein halbes Weltreich errichten, aber mit der Ermordung der Omajaden zerfiel die Umma in die nationalen Einheiten früherer Zeiten unter autochthonen Herrschern.

„Die Juden“ befanden sich als politisch früh Besiegte in einer wenig komfortablen staatlichen Situation. Die Christen werten dies so, dass Gott Vater, sei es der alte Ouranos oder Jahwe, sie verworfen habe. Die Assyrer hatten 10 ihrer Stämme in Asien verschwinden lassen, und die Römer gaben der jüdischen Staatlichkeit den Rest. Der Tempel, der die Autorität der Denkrichtung Sadduzäer (Peter Beer) begründet hatte, lag in Trümmern, die heiligen Geräte waren nach Rom verbracht und dort bis zur Plünderung durch die Vandalen ausgestellt. Der Zusammenhalt des jüdischen Volkes konnte nur erhalten bleiben, wenn nicht nur die Ge- und Verbote der Mischna, sondern zum Schutz derselben noch weitere Vorschriften vorgeschaltet wurden, die in der Hoffnung, dass der Gott ihnen wieder gnädig werde, äußerst streng zu befolgen waren. Ein Heer von (pharisäischen) Rabbinern tüftelte Vorschriften ohne Ende aus. Der Satz, man dürfe das Böcklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen, wird als Verbot umgesetzt, frühestens nach 4 Stunden nach Genuß einer Fleischspeise Milch zu trinken. Die Regeln gleiten durchaus in den Aberglauben und in eine „kollektive Zwangsneurose“ (Sigmund Freud) ab. Rabbi Eliser ben Abuja verwarf diese allesamt als unnütz. Die so genannten Karäer wollten nur die Tora akzeptieren, aber ihre viel zu lockere Sekte konnte nicht das Judentum bezwingen. Tatsächlich war die Ideologie eines exzessiven Regelwerks die Grundlage für den Erhalt der Volksreste als Religionsgenossenschaft. Die Religionsgenossenschaft schützte vor dem Zwang, den Wunderglauben des Christianismus anzunehmen und ihr kompliziertes Gesetzeswerk schützte davor, vom versimpelten Islam übernommen uu werden.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg war aber auch die Beharrungskraft des Judentums ausgelaugt. Die meisten Juden folgten in der Sehnsucht nach Erlösung den messianischen Versprechungen eines Sabbatai Zwi. Heinrich Graetz nennt das Judentum der Barockzeit eine Sammlung „kindischer Greise“. Die Vermengung von Religion und menschlicher Organisation ließ im 18. Jahrhundert die abstrusen Lehren der Kabbala populär werden. Eine Religion ohne Theologie verlor ihre großen Söhne wie Baruch Spinoza, der mit dem Cherem belegt wurde. Die wirtschaftlich erfolgreichen Mitglieder wurden oft abtrünnig, ließen sich taufen, und wurden gar nobilitiert. Es kam allgemein in Europa zu einer „Aufklärung“, die auch das Judentum erfasste.

Die Aufklärung bemächtigte sich als Haskala der jüdischen Gedankenwelt. Das Judentum in Deutschland war unjüdischen Lehren zugänglich, wie es z. B. Else Croner beschreibt. Aber auch die weniger gebildeten Kreise wurden von einer aufklärenden und profanisierenden Welle erfasst. In der Zeitspanne zwischen Moses Hess und Theodor Herzl entwickelte sich auf den „Resten der jüdischen Religionsgenossenschaft“ (Brockhaus 1895) der Zionismus als Alternative zur Auswanderung in die USA und dem Verbleib im Schtetl. Juden aus Rumänien und Russland begannen, sich in Palästina anzusiedeln. Sie benötigten zwar innerhalb des Judentums die Ideologie der Tora über ein Land, das ihnen kraft Gottes Willen zustand, aber die Staatsgründung war sehr weltlich durchgezogen. Frömmelnde Elemente waren dem Zionismus abholt. Jakob Israel de Haan wurde ermordet, hyperorthodoxe Sekten wie die Satmarer Chassidim lehnten die profane Staatsgründung ab. Der Staat, der sich bis 1948 bildete, bediente sich der Waffe, hatte aber weder eine christliche Theologie von seiner Göttlichkeit, aber auch keine Legitimation durch eine Herrschersippe. Ideologische Gegner mussten sich gegen den arabischen Feind zusammenschließen und in einer Knesset koalieren. Die Legitimation auf dem Papier wird von einer Balfour-Erklärung abgeleitet, deren Rechtsgrundlage vage ist. Zwar kennt auch England kein ausformuliertes, profanes „Grundgesetz“, aber seine Tradition beginnt mit der Habeas Corpus Akte von 1204. Es blickt auf 800 Jahre Staatspraxis zurück. Israel hat keine staatliche Tradition, keinen König, keinen mohammedanischen Sultan oder Kalifen, auch keine geschriebene Verfassung: seine staatliche Legitimation sind das rabbinische Gesetz und die Macht seiner Waffen, die den Raum des Gesetzes behaupten.

Wie es sich 2023 offenbarte, hat Israel ein für westliche Verhältnisse unstrukturiertes System. Nimmt man die Prinzipien der Gewaltenteilung nach Montesquieu und die Trennung von Staat und Kirche nach Roger Williams als unbedingtes „must“ für eine moderne Demokratie an, erkennt man, dass nicht nur Israels Justiz sowohl legislative wie exekutive Rechte besitzt, sondern dass dieser Staat nichts anderes ist als ein jüdischer Kirchenstaat oder ein jüdischer Mormonenstaat. Kann man allein von seinen Volkswahlen zur Knesset von Demokratie sprechen? Ja, wenn der Referenzstaat eine islamische Republik ist. Ohne westliche Gewaltenteilung ist es ein Staatsgebilde sui generis, basierend auf einer Parteienlandschaft, deren Zusammenhalt Tora, der Zionismus und die Furcht vor einem neuen Holocaust ergeben.

Das geltende Gesetz und eine Justiz, die niemand gewählt hat, sondern die sich ähnlich wie das römische Kardinalskollegium ergänzt, sind der jüdische Staat in seinem Kern. Das Staatsvolk ist in toto wehrpflichtig, so dass die jüdischen Streitktäfte die zweite Grundlage der Volksstaatsmacht bilden. Nun sind Wehrmacht und Justiz eo ipso autoritär, so dass Israel vom Prinzip her wenig liberal sein kann. Die jetzige Regierung Netanjahu würde sich gerne aus dem Griff der Justiz befreien, aber Hunderttausende protestierten dagegen, weil die paraklerikale Justiz das einzige Gegengewicht zur regierenden Administration darstellt. Es ist kaum vorstellbar, dass die religiöse Mehrheit des Volkes (Pinchas Goldschmidt) eine weltliche Verfassung verabschieden könnte. Es wird also beim jüdischen Kirchenstaat mit seiner übermächtigen Justiz bleiben.

Itamar Ben Gvir dürfte in dieser Agonie seine Chance erkannt haben: eine eigene Polizeimiliz auf der Westbank zu organisieren, würde den Besitz von Samarua, Galiläa und Judäa sichern, wenn das „alte“ Israel mangels Verfassung auf dem Weg zu einer westlichen Demokratie im Chaos versinkt. Dann entsteht auf der Westban das Südreich Juda neu. Das dürfte allerdings erst recht keine Demokratie westlicher Prägung werden, aber es dürfte die Chance in sich tragen, die unsicheren Zeiten für das jüdische Volk zu überleben.

von Lobenstein

Juden und Rasse in Israel, den USA und Deutschland

Salcia Landmann, die Autorin von „Der jüdische Witz“ schrieb auch zum Thema „Die Juden als Rasse“. Eine einzige jüdische Rasse kann es nicht geben, dazu sind Sepharden und Aschkenasim phänotypisch zu verschieden. Während die ‚Aschkenasim‘ dem Rasseforscher viele Rätsel aufgeben, sagen Friedrich und Georg Rosen, die Sepharden seien die alten Phönizier. Dass diese mit dem Untergang ihrer Staatenwelt als Religionsgenossenschaft ihre Beziehungen erhalten gaben können, dässt sich mit Ausgrabungen belegen. Karthagische Gottesdienstvorschriften sind denen des Leviticus ähnlich und auf Dscherba gab es schon vor 3000 Jahren eine jüdische Gemeinde.
Das Stichwort „Rasse“ provoziert einzelne Gruppen, weil für den Menschen der Begriff sogar aus dem Grundgesetz eliminiert werden soll. Natürlich gibt es Menschenrassen „braune und blasse (Dreigroschenoper)“. Das Problem kommt wohl von einer Analogie mit der Viehzucht her, wo man von Rinder- und Hunderassen spricht, denen man favorisierte Eigenschaften anzüchtet. Will man mehr Milch oder besseres Fleisch, braucht man einen Wachhund oder einen zur Jagd? Haben sich nach einigen Hundegenerationen von Mischungen die geplanten Eigenschaften fest fortvererbt, anerkennt der Züchterverband die neue Mischung als Rasse an. Rasse setzt also einen engeren Fortpflanzungskreislauf voraus. So könnte Salcia Landmann recht haben, wenn sie von „Juden als Rasse“ spricht.
Beim Menschen weiß man auch von speziell begabten Musikerfamilien (Familie Bach) mit besonderen Talenten, die sich fortvererben. Auch im negativen Sinn hatte die anthropologische Forschung Bedeutung zum Thema Fortpflanzung. Cesare Lombroso hatte den „typischen Verbrecher“ ausgemacht; Lombrosos Idee war damals bereits in der Kritik. Kaiser Josef II. verwarf schon die Forschungen von Josef Gall, der höchst unchristlich, von biologischen Merkmalen auf die Qualität von Menschen schließen wollte und damit die Verantwortlichkeit des Menschen für sein Tun relativierte. Zwar mag es bei den Mängeln auch eine gewisse Vererbbarkeit geben, aber ganzen Volksgruppen von mehr oder weniger oder speziell talentierten oder gänzlich unbegabten Menschen zu dis- oder zu qualifizieren, ging zu weit. Die Bücher von Wilhelm Wundt zur Völkerpsycholigie überzeugen kaum, sie erscheinen eher als Zusammenfassung von Vorurteilen. Dem Menschen fehlt ein höheres Wesen, dass nach Züchterart Menschenrassen konzipieren könnte. Man könnte aber von einem Staat als höhere Macht erwarten, dass er sein Volk zurecht züchtet, bestimmte asoziale und erbkranke Elemente ausmerzt etc., aber es ist unwahrscheinlich, dass eine Supermacht auf die Idee kommen könnte, Sabinerinnen beim Volk A rauben und sie von den Männern des Volkes B begatten zu lassen, um so eine neue Rasse zu etablieren. Solche Gedanken hegten gewisse Kreise in Deutschland, wo man Alliancen von Deutschen mit Norwegerinnen begrüßte, aber ganz offensichtlich nahm die Umsetzung dieser Idee keine großen Ausmaße an. Vielmehr standen beim menschenbezogenen Rassegedanken eliminatorische Aspekte im Vordergrund. Man will angenommene Gene aus dem Volkskörper herausmendeln, wobei man in Deutschland nicht einmal vor Mord zurückschreckte.

Das hat den Rassegedanken desavouiert.

Trotzdem entsteht beim Menschen so etwas wie eine Rasse, auch wenn man nicht gerne von menschlichen Rassen sprechen will. Das eine Volk bildet sich gleichförmiger, das andere wird keine Mischung, sondern bleibt ein Völkergemisch. Die Gesellschaft akzeptiert besser den Zufall der individueller Partnerwahlen. Das diese nicht immer den Segen der Gemeinschaft bzw. der Obrigkeit finden, berichtet die Bibel schon für Esra und Jeremia. Und trotz der Brutalität dieser Priester kann Moritz Alsberg berichten, dass auch „die Juden“, denen man die ausgeprägteste Rasse(r)einheit unterstellte, eine Mischrasse seien, die sich zum einen zu Zeiten Salomons, und dann wieder zur Zeit des Hellenismus gebildet habe. Mit Peter Beer darf man annehmen, dass die Rassenbildung mit dem Ende der Antike irgendwie abgeschlossen war. Allerding waren die Juden Spaniens und die des Ostens räumlich getrennt, und nur religiös verbunden. In Spanien erfuhr man zufällig von jüdischen Chasaren. Bevor ein realer Austausch hätte beginnen können, war das jüdische Reich an der Schwarzmeerküste bereits untergegangen. Heute wird von den „Ostjuden“ heftig bestritten, Chasaren zu sein. Der Antisemit Wilhelm Stapel, der einräumen musste, dass „die Deutschen“ auch nur eine Mischrasse darstellten, bringt das Argument, dass die Rassenbildung für das 20. Jahrhundert bei den Deutschen abgeschlossen sei, die Juden dürften nicht mehr eingekreuzt werden. Wahrscheinlich war das „ostjüdische Antlitz“ (Arnold Zweig) zur gleichen Zeit ausgeprägt. Der Brockhaus von 1895 definiert den damaligen Rassegedanken zum Stichwort „Juden“ so:

„… Neuerdings sind interessante Untersuchungen über die Rassenfrage, die im gegenwärtigen Antisemitismus eine weit bedeutendere Rolle spielt als die der Religion, geführt worden. Man ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Juden, anthropologisch betrachtet, keine Rasse für sich, sondern die Reste einer Religionsgenossenschaft sind, deren Angehörige sich aus ganz verschiedenen Rassen zusammengefunden haben.“

Dabei beruft sich der Brockhaus auf Moritz Alsberg und Richard Andree. Liest man aber bei den Autoren nach, dann wären die Juden zwar eine Mischrasse, die sich aber seit etwa 1000 Jahren stabilisiert hatte. Darwin beschreibt die Entstehung wild lebender Tierrassen, die sich unter konkreten Bedingungen der Umwelt anpassen und speziell ausbilden. Die Rabbiner, die ihre Religionsgenossen streng kontrollierten, haben zu dieser „Rassifizierung“ sicher beigetragen. Während des 19. Jahrhundert ließ auch bei den Juden die Frömmigkeit nach, so dass gegen Ende des Jahrhunderts der Brockhaus von „Resten einer Religionsgenossenschaft“ sprechen konnte. In dieser Zeit kratzten diese „Reste“ die Kurve, sich noch als Nation zu etablieren. Albert Einstein sagt 50 Jahre später, dass die Juden weniger eine Religion als eine Nation darstellten. Moses Hess und Theodor Herzl sind die gedanklichen Väter dieses Koordinatenwandels.
Allerdings ist das Rassematerial der Juden nicht wesentlich anders als das, welches die anderen europäischen Völker bildete. Heute kann man das selbst im rassisch durchgeschüttelten Deutschland noch erkennen, dass gewisse Typen sich regional erhalten. Betrachtet man ein phänotypisches Weib wie Angela Merkel, erkennt man, dass solche Scheußlichkeiten des Typus im bayerischen Volksstamm nicht vorkommen. Dieser Typus hätte sich ausgemendelt. Wenn man also selbst unter unbestreitbar altdeutschen Deutschen biologische Unterschiede erhalten haben, dann haben sich auch innerhalb von autonomen Religionsgesellschaften solche herauskristallisiert. Der eine Granit hat mehr Feldspat, der andere mehr Glimmer.

Das 20. Jahrhundert ist vorüber und die abgeschlossenen Rassenbildungen wurden neuen Einflüssen ansgesetzt. Die Amerikaner akzeptierten schrittweise ihre Mitbürger schwarzer Hautfarbe und empfingen Einwanderer aus der halben Welt. Frankreich wurde zum Zielland von Angehörigen früherer Kolonialvölker und England war so sehr mit Indien verbandelt, dass es heute einen Premier indischer Abstammung hat. Auch Deutschland ist rassisch neu gefasst durch die Umwälzungen der eigenen Gaue, den Zuzug von Gastarbeitern und das Bleiben von displaced persons aus dem Osten Europas. Das macht das Rassethema zu einen schlüpfrigen Gegenstand. Man sollte aber doch darüber nachdenken, weil einmal die einzelnen europäischen Ländern ganz unterschiedliche yzuwanderer empfangen, und weil speziell die Deutschen froh sind, dass derzeit viele Ukrainer kommen, quasi als Gegengewicht zu Syrern.

Benito Mussolini soll in einem Gespräch mit Nahum Goldman gesagt haben, dass es (schon vor dem Zweiten Weltkrieg) keine reinen Rassen mehr in Europa gäbe. Für ihn waren auch die abgeschlossenen Rasseneubildungen keine intransigenten Gesellschaften. Weil vielleicht Graf Gobineau die Deutschen für eine minderwertige slawisch-germanische Mischrasse gehalten hatte, wollten die Ideologen der „Nazis“ wieder zum reineren Germanentum zurück. Reichsjägermeister General Hermann Göhring ließ in gleicher Ideenlage für die germanische Antike den ausstorbenen Auerochsen rückzüchten, der Germaniens Wälder gefährlich gemacht hatte. Ansiedeln konnte man das neue Tier wegen seiner Gefährlichkeit nur in Polen. Die rassistische Ideen widersprachen allen realen Umständen der Zeit in Europa.

Wie kann das bei den Juden gewesen sein und wie kann es sich bei ihnen fortentwickeln?

Der Wahlkampf Eric Zemmours um die französische Präsidentschaft 2021 brachte einige Tabous zur Diskussion. Zemmour behauptete z. B., wobei ihm Alain Finkielstein zustimmte, „dass Maréchal Philippe Pétain die französichen Juden gerettet habe“. Das scheint im Widerspruch zur Tatsache zu stehen, dass sich die Deutschen zigtausende Juden hatten ausliefern lassen, unter ihnen Simone Veil, die über ihre Zeit in Auschwitz ein Büchlein geschrieben hat. Ja, meinte Zemmour, aber Pétain habe Juden aschkenasischer Herkunft ausgeliefert, „seine“ alt-französischen, sephardischen Juden nicht.
Waren also die sephardischen Juden französischer als die Aschkenasim? Frankreich hatte diese quasi geerbt, als es um 1500 nach Deutschland griff und das Bistum Metz erwarb, und als es 1648 seinen Fuß in das Elsaß setzte, gewann es starke jüdische Gemeinden hinzu. Die Affäre um Alfred Dreyfus zeigt, dass den Aschkenasim mit ihren deutsch klingenden Nachnamen nicht so recht getraut wurde. Theodor Herzl tippte zwar auf einen französischen Antisemitismus, wusste aber nicht, dass die jüdische Gemeinde Dreyfus‘ Verurteilung begrüßt hatte.
Frankreich war eigentlich immer judenfreundlich. Adolphe Crémieux, jüdischer Justizminister 1871, hatte allen algerischen Juden die französische Staatsbürgerschaft verliehen, was das sephardische Element in Frankreich stärkte. Wenn Zemmour, der selbst aus Algerien stammte, recht hat, dann wären die französischen Juden heute sephardischer als vor 1940. Sind diese Juden reinrassiger als anderswo? Es handelt sich bei den französischen Juden heute um knapp eine Million Menschen. Besucht man einen jüdischen Friedhof im Midi, erkennt man, dass die französischen Juden anders leben als die „deutschen“. In Deutschland sind es aber nur 200.000, von denen wiederum nur die Hälfte bei den Gemeinden angemeldet ist. So gesehen ist das sephardische Judentum in Europa zahlenmäßig stärker, macht aber deutlich weniger Risches als das Judentum östlich des Rheins.

7 Millionen Juden leben heute in Israel. Dort kommen die verschiedenen Stämme des Judentums neu zusammen zu einer neuen Nation. Es sind einmal die Juden Osteuropas und die Juden des Orients (Mizrachim). Die jüdische Rasse dort (nach Salcia Landmann) bildet sich gerade neu, wenn man die Vorstellungen von Moritz Alsberg auf unsere Zeit überträgt. Ajelet Shaket ist die Tochter von Eltern verschiedener jüdischer Herkunft. Sie vertritt „faschistische“ Positionen, was bei Würdigung des frühen italienischen Faschismus kein Paradox wäre. Das bedeutet, dass sich das Judentum in Israel „völkisch“ anders entwickelt als das den europäischen Diasporen, wo man den Faschismus als Nazitum versteht. Es entwickelt sich insbesondere anders als in den USA, wo eine Diaspora in annähernd gleicher Stärke wie das israelische Volk lebt. Einige, sich als jüdisch verstehende Gemeinschaften, werden von Israel nicht mehr als jüdisch anerkannt. Die starke amerikanische Diaspora geht ganz von halachischen Vorgaben ab. Carlo Strenger hat prognostiziert, dass das amerikanische Judentum auf 13% seines heutigen Bestandes absinken würde, wenn man die halachischen Regeln gegen das Judentum dort durchsetzen würde. Der bekannteste Beispielfall ist der von Marc Zuckerberg, der eine Frau chinesischer Abstammung ehelichte, nach Carlo Strenger absolut kein Ausnahmefall. Amerikanische Juden sind in erster Linie US Amerikaner, ihre jüdischen Gebräuche werden auch von anderen Gruppen übernommen. Amerikanisches Judentum basiert folglich auf einer jüdischen Erziehung (jewish outreach program).

Während israelisches Judentum durch das Faktum der Nation auf eigenem Staatsgebiet sich in nationalen Bahnen formen kann, entwickelt sich das amerikanische durch biologisch individuelles Zusammenkommen der Menschen in den USA. Nur die deutsche Diaspora wird Opfer einer inszenierten Judenpolitik (Barbara Steiner), die sich ängstlich an die Vorgaben der Halacha hält. Deutsche Juden, die als autonome Gruppen nach Felix Theilhaber dem Untergang geweiht wären, blicken besorgt nach Israel, dem „sicheren Hafen“ für sie als Juden. Wie lange kann es in Deutschland noch „Reste dieser Religionsgenossenschaft“ (Brockhaus 1895) geben, die sich nur als israelische Expats erhalten können? Rein theoretisch gäbe es auch in Deutschland eine breite Basis einer jüdischen Zivilisation, aber die inszenierten Juden haben einen anderen Zweck. Sie sind deutsche Staatsschauspieler, die Deutschland mit einem regulären Judentum als westliches Land erscheinen lassen. Natürlich müssen diese auch jüdisch aussehen, wenigstens wie Ferdinand Mariam, der den Jud Süß überzeugend spielte, damit man im Westen die deutsche Show glaubt..
Es ist alles unehrlich, was in Deutschland abgeht, auch das „jüdische Leben in Deutschland“, zu dem sich Steinmeier gratuliert, ist ein Selbstlob über die deutsche Schauspielkunst.

von Lobenstein

Keiner hat das Recht seinen Nächsten zu töten

Nie haben wir in Europa eine so lange Friedensperiode gehabt wie die letzten 80 Jahre. Die gegenwärtige Krise, der Krieg in der Ukraine, ist eine unberechenbare und gefährliche Situation, die wir so schnell wie möglich beenden müssen, wenn wir überleben wollen. Aber wie? Wir alle können nicht gegen Putin in den Krieg ziehen, aber wir sollten und müssten gegen alldiejenigen kämpfen, die Putins Gift bei uns weiterverbreiten und die „nützlichen Idioten“ spielen, oder gar sind. Es nützt nicht und ist sogar „contra produktiv“ in Zeiten des Krieges und der höchsten Gefahr daran zu erinnern, dass auch in der Vergangenheit andere völkerrechtswidrig und barbarisch gehandelt haben. Aber wie weit sollten wir zurückgehen? Bis zum Zweiten Weltkrieg, bis zum Ersten Weltkrieg, bis zu den Napoleonischen Kriegen oder bis zum Dreißigjährigen Krieg? Oder vielleicht bis zu den Kriegen von Julius Cäsar, Hannibal oder der Griechen gegen Persien?

Wir sollten Geschichte zwar nicht vergessen, aber wir sollten es nicht als Grund benutzen den jetzigen Überfall Russlands in die Ukraine zu relativieren oder sogar zu entschuldigen. Jede solche Erklärung ist sachlich ungenau und moralisch verwerflich.

Kein Mensch hat das Recht andere Menschen zu töten oder andere Länder zu überfallen. Auf diese Erkenntnis beruht unsere Zivilisation, zumindest seit dem biblischen Gebot: „Du sollst nicht töten.“ Wir blicken mit Abscheu und Verachtung auf die Epochen in der Geschichte der Menschheit, als Töten, Erobern und Ausbeuten üblich waren und Feldherren Cäsaren wurden. Wir halten uns heute für zivilisierter als die Menschen im „Wilden Westen“, wo nur der überlebt hat, der besser mit dem Revolver umgehen konnte. Aber selbst im wilden Westen gab es Gerichte und Richter, wie wir aus den „Wildwest Filmen“ wissen, die schuldigen Mörder verurteilt und wilde Lynchjustiz abgelehnt haben.

Keiner hat das Recht seinen Nächsten zu töten, zu demütigen oder seines Eigentums zu berauben. Auf diese Maxime beruht unser gesellschaftliches Zusammenleben von Beginn an. Der erste überlieferte Mord in der Geschichte, die Ermordung Abels durch seinen Bruder Kain ist für ewig in das Gedächtnis der Menschheit als Mahnmal haften gebelieben und der biblische Spruch (1. Mose, 4-9) „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ begleitet uns seitdem bis in alle Ewigkeit und ermahnt uns die Hüter unserer Brüder zu sein.

Das erstaunlichste und wunderbare in dieser biblischen Erzählung, mit der unsere humane Zivilisation beginnt, ist Kain´s Erkenntnis, dass er Unrecht getan hat, seine Entschuldigung und seine Furcht (1. Mose 4-14): „So wird mir´s gehen, dass mich totschlägt, wer mich findet.“ Kain ist bekannt und bewusst, dass auf Mord Strafe folgt. Aber Gott schützt ihn und sagt: „Wer Kain totschlägt, das soll siebenfach gerächt werden.“ Rache ist auch Mord und Vergeltung ist moralisch nicht besser als der Anschlag selbst. Und die Bibel erzählt uns, dass Gott an Kain´s Stirn ein Zeichen machte, damit ihn jeder erkennt und keine das Recht in eigene Hände nimmt. Demnach ist es sogar verboten Mörder zu morden. So geht es uns heute mit Putin und seinem Krieg. Jeder weiß, dass Putin ein Mörder ist und dass nur der Internationale Strafgerichtshof ihn bestrafen darf und kann. Deshalb auch der Haftbefehl des Gerichtshofs zu seiner Ergreifung. Keiner soll ihn ermorden, er trägt das Kain-Zeichen tätowiert auf seine Stirn.

Putin kann mit seinen strengen und kalten blauen Augen Russland unterwerfen und die Russen unterdrücken, aber die Welt, Europa oder auch nur die Ukraine unterwerfen, kann er offensichtlich nicht. Viele gehirngewaschene Linke bei uns im Westen wollen Putin schützen, weil sie der Meinung sind, frei nach Franz Werfel, dass nicht Putin und seine Generäle, sondern seine Opfer die Schuldigen sind.   Wir wissen, dass gegen die fürchterliche und grausame Realität, die wir täglich in Bildern sehen, selbst die russische Propaganda machtlos ist. Aber seltsamerweise sind bei uns nicht wenige Brigadegeneräle, Politiker, Philosophen und gewöhnliche Bürger von Putins Propaganda überzeugt und benutzen deshalb nicht ihren gesunden Menschenverstand, falls sie überhaupt einen haben. Sie glauben nicht der Realität, die sie sehen, sondern der Ideologie, die ihnen gebietet zu glauben, was sie nicht sehen. Sie zeigen Verständnis für Putins Krieg und Kriegsverbrechen in Butscha, weil die Amerikaner vor 50 Jahren auch in Vietnam Kriegsverbrechen begangen haben. Sie vergessen aber, dass es vor 50 Jahren eine große Bewegung in Deutschland und im übrigen Europa gab, die Demonstrationen gegen den Krieg in Vietnam organisiert hat. Wo bleiben die Demonstrationen von heute gegen einen ebenfalls Menschen verachtenden brutalen und völkerrechtswidrigen Krieg? Die Schuld der Amerikaner, gegen die wir auf die Straße gegangen sind, kann kein Grund und keine Entschuldigung für den imperialistischen Krieg Putin´s sein. Seine Begründung, dass er die Ukraine vor Nazis und Faschisten schützen wollte, ist nicht nur absurd, sie ist zynisch und eine grobe Lüge, mit der er sogar mit seiner massiven Propaganda nicht überzeugen kann. Man muss kein Experte sein, um zu sehen, dass in Kiew keine Nazis sitzen, sondern im Gegenteil, Politiker, die zwar mühsam aber voller Idealismus versuchen eine westeuropäische Demokratie aufzubauen. Und das wird nicht von Biden verhindert, sondern von Putin.

Wovor hat Putin Angst? Vor dem demokratischen Virus, dass auch die Russen Demokratie fordern würden. Immer mehr Russen werden allein wegen der defätistischen Aussage, dass die „militärische Operation“ ein echter Krieg sei, verhaftet und drakonisch bestraft. Und tausende Russen verlassen ihr Land, weil dort eine Gewaltherrschaft eines durchgeknallten Autokraten ein freies und friedliches Leben unmöglich macht.

Ähnlich war es in Deutschland während des Krieges, als keiner das Wort „Krieg“ benutzen durfte bis am Ende Hitler die Soldaten „ausgegangen“ sind und er einen „Volkssturm“ aus tausenden von alten Männern und Minderjährigen gegen, die gut ausgebildeten russischen und amerikanischen Soldaten rekrutieren musste. Sie waren sein Kanonenfutter. Auch jetzt rekrutiert Putin Soldaten in Gefängnissen und Straflager und verspricht Straffreiheit. Nur wenige können diese „Straffreiheit“ genießen. Die meisten sind vorher im Krieg getötet worden.

Damit sowas nie wieder passiert und die Charta der UN  den Weltfrieden und die internationale Sicherheit wahren kann, wurden zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen getroffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen.

Die Charta der Vereinten Nationen ist der Gründungsvertrag der Vereinten Nationen. Ihre universellen Ziele und Grundsätze bilden die Verfassung der Staatengemeinschaft, zu der sich alle inzwischen 193 Mitgliedstaaten bekennen, auch Russland, Weißrussland und China. Sie wurde am 26. Juni 1945 in San Francisco unterzeichnet und trat am 24. Oktober 1945 in Kraft. Darin heißt es in der Präambel:

Text der UN-Charta zum Download

Präambel

Kapitel I – Ziele und Grundsätze

Kapitel II – Mitgliedschaft

Kapitel III – Organe

Kapitel IV – Die

Kapitel V – Der Sicherheitsrat

Kapitel VI – Die friedliche Beilegung von Streitigkeiten

Kapitel VII – Maßnahmen bei der Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen

Kapitel VIII – Regionale Abmachungen

Kapitel IX – Internationale Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet

Kapitel X – Der Wirtschafts- und Sozialrat

Kapitel XI – Erklärung über Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung

Kapitel

XII – Das internationale Treuhandsystem

Kapitel XIII – Der Treuhandrat

Kapitel XIV – Der Internationale Gerichtshof

Kapitel XV – Das Sekretariat

Kapitel XVII – Übergangsbestimmungen betreffend die Sicherheit

Kapitel XVI – Verschiedenes

Kapitel XIX – Ratifizierung und Unterzeichnung

Wir, die Völker der Vereinten Nationen – sind fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat, unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen,Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können,

den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern, Duldsamkeit zu üben und als gute Nachbarn in Frieden miteinander zu leben, unsere Kräfte zu vereinen, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren, Grundsätze anzunehmen und Verfahren einzuführen, die gewährleisten, dass Waffengewalt nur noch im gemeinsamen Interesse angewendet wird, und internationale Einrichtungen in Anspruch zu nehmen, um den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt aller Völker zu fördern.

Russland hat diese Charta unterschrieben. Es ist deshalb ein Skandal, dass Russland immer noch Mitglied im Sicherheitsrat ist und zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrages sogar den Vorsitz hat. Und es stimmt, dass auch die USA diesen Vertrag gebrochen und verletzt hat. Und es stimmt, dass die UN sich neu organisieren muss und im Sicherheitsrat das demokratische Prinzip der Mehrheit endlich eigeführt wird und Großmächte nicht durch ihr Veto Beschlüsse der Mehrheit annullieren können. Das alles sollte auf die Tagesordnung kommen, aber zuerst sollte der weltweit gefährlichste Krieg beendet werden, bevor noch unverantwortlichere Herrscher an die Macht kommen.

Man kann zwar Russland nicht aus der UNO entfernen, aber es ist doch eine Farce und lächerlich, wenn ausgerechnet ein Staat, der die Charta so eklatant verletzt hat, immer noch im Sicherheitsrat ist und durch seine Vetos wichtige und notwendige Beschlüsse blockiert.

Abraham Melzer, 2. April 2023