Ersatz-Antisemitismus: ein Mittel zur Verteidigung des Aberglaubens?

von Eurich Lobenstein

Niemand will sich gerne einen Antisemiten nennen lassen. Man käme sich bescheuert vor als eingefleischter Antisemit: Man würde zugeben, gegen alles zu sein, nur weil es jüdisch oder jüdisch gesprenkelt ist. Man müßte die größten Geister des Abendlandes wie Baruch Spinoza, Sigmund Freud, Edmund Husserl, Felix Hausdorff, Mendelsohn-Bartholdy und Albert Einstein ablehnen, weil sie jüdische Eltern hatten. Deswegen war der Begriff immer schon anrüchig im Sinne von närrisch. Selbst die Argumente gebildeter Antisemiten wie Kittel, Stapel oder Fritsche bestehen keine Nagelprobe. Der Begriff „Antisemit“ ist heute doppelt verrufen. Einmal, weil der „Antisemit“ nichts von Philosophie, von Musik, von Psychologie, oder von Mathematik zu verstehen scheint, und dann, weil er automatisch ein „Nazi“ sein muss. Gibt es Nazis, die keine Antisemiten waren? Man weiß kein konkretes Beispiel dafür. Im Gegenteil, auch das reaktionäre Umfeld der Nazis war antisemitisch eingestellt. Und die „Nazis“ haben gemordet ohne Ende und einen Krieg verloren, den sie nie hätten riskieren dürfen. Wer sich heute als „Nazi“ bekennt, muß also eine Ausgeburt der Unvernunft sein. Und das Kennzeichen der Unvernunft tragen die „Antisemiten“ automatisch mit.

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Deswegen ist es unzulässig, mit der Dreckschleuder des Antisemitismusvorwurfs umzugehen. So heißt es heute, die palästinensische BDS sei „zutiefst antisemitisch“ (Felix Klein). Ist „zutiefst“ dasselbe wie früher das „eingefleischt“? Reaktionäre jüdische Funktionäre der Bundesrepublik verunglimpfen selbst oppositionelle Juden als „Antisemiten“, wenn ihnen die Ansprüche der Palästinenser nicht völlig unbegründet erscheinen. Vielleicht sind diese jüdischen Antisemiten oberflächlich antisemitisch angehaucht. Ein Josef Ginsburg hatte die Kombination „Zionnazi“ erfunden. Was es nicht so alles gibt! Dem kreativen Verstand sind kaum Grenzen gesetzt.  Weiterlesen

Hexenhammer, IHRA und die Macht von Vermutungen

von Wolfgang Behr 

Der „Hexenhammer“ brachte Tausenden von Menschen den Tod. Er war vom 15. bis 17.Jahrhundert ein mächtiges Instrument für die Inquisitoren, um die Hexenverfolgungen durch den Papst zu rechtfertigen und diente als Anleitung zur Überführung und Verurteilung von vermeintlichen Hexen.

Da Fakten naturgemäß nicht beizubringen waren – z.B. die Kopulation mit dem Teufel -war man auf Vermutungen angewiesen, die durch Denunzianten verbreitet wurden.

Dass auch nach Jahrhunderten die gleiche kranke Geisteshaltung wieder auftaucht und sich genügend selbstgerechte und opportunistische Unterstützer bis in höchste Politikerkreise dafür finden, beweist die Anti-BDS-Resolution des Deutschen Bundestages vom Mai 2019. Sie ächtet auf der Basis der inzwischen umstrittenen „International Holocaust Remembrance Alliance“(IHRA) unter anderem „alle antisemitischen Äußerungen und Übergriffe, die als vermeintliche Kritik an der Politik des Staates Israel formuliert werden, tatsächlich aber Ausdruck des Hasses auf jüdische Menschen und ihre Religion sind.“

 Das war die Geburtsstunde des für Interpretationen und Vermutungen anfälligen und hilfreichen „israelbezogenen Antisemitismus“ der ausgiebig von der Israellobby in Deutschland benutzt wird, um Kritik durch Personen und Kulturinstitutionen an der menschenverachtenden Besatzungspolitik in Palästina einzudämmen, diese als „antisemitisch“ zu brandmarken.

Hier nur zwei typische Äußerungen im Bereiche von Vermutungen von Aktivisten der Israellobby:

Der Antisemitismusbeauftragte von Baden-Württemberg, Michael Blume: „Linke Antisemiten wollen keine Antisemiten sein, sie bringen große Erklärungen heraus, warum sie angeblich keine Antisemiten sind. Erwarten Sie nicht von mir, dass ich dieses Spiel mitspiele.“

Der Historiker Oren Osterer: „Israelbezogener Antisemitismus ist ein sehr gemütliches Plätzchen, wo man seinen Antisemitismus rauslassen, aber sagen kann: Ich habe nichts gegen Juden.“

Wenn also in Deutschland von „Hexenjagd“ gegen einzelne Israelkritiker und israelkritische bzw. Veranstaltungen gesprochen wird, hat diese Bezeichnung durchaus seine Berechtigung.

„Philosemitismus – Eine Liebe, die blind macht“

von David Ranan

„Schalömchen Köln“: Mit einer speziell gestalteten Straßenbahn will die Stadt Köln ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Der israelisch-britisch-deutsche Autor David Ranan hat jedoch Zweifel, ob ein solcher Akt von „Philosemitismus“ ein gutes Signal ist.

Einige von Ihnen kennen sicherlich die ikonische Verfilmung des Stücks von Tennessee Williams mit Marlon Brando und Vivien Leigh, das in Deutschland als „Endstation Sehnsucht“ vermarktet wurde. Im Original hieß es jedoch „A Streetcar named Desire“ – ins Deutsche übersetzt: eine Straßenbahn namens Verlangen.

Ich musste daran denken, als ich in der Zeitung las, dass die Stadt Köln mittels einer mit großem Davidstern bemalten und mit „schalömchen – eine deutsche Verniedlichung des hebräischen Wortes schalom – beschrifteten Straßenbahn behauptet, ein Zeichen für Demokratie und gegen Antisemitismus zu setzen. >>>

Bringt Trumps Politik Frieden in den Nahen Osten?

von Arn Strohmeyer

US-Präsident Trump und sein Schwiegersohn Jared Kushner haben es geschafft, dass weitere arabische Staaten – Bahrein, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), der Sudan und jetzt auch Marokko – die Blockade Israels durchbrechen und Beziehungen zum jüdischen Staat aufnehmen. Wenn Trump selbst diesen Vorgang gleich als „historischen Schritt zum Frieden“ bezeichnete, dann hat das eher mit seiner überheblichen, narzisstischen Großmäuligkeit zu tun als mit der Realität. Aber auch andere Regierungen und die Mainstream-Medien stimmten in den Friedenschor ein. Waren das wirklich Schritte zum Frieden im Nahen Osten?

Was war geschehen? Trump hatte Milliarden schwere Deals mit Bahrein und den VAE vereinbart: Diese arabischen Staaten bekommen neueste amerikanische Waffentechnik – vor allem F 35-Bomber – ein fantastisches Geschäft für die amerikanische Rüstungsindustrie. Die diplomatischen Beziehungen zwischen diesen Staaten und Israel sind sozusagen nur ein Nebenprodukt dieses Geschäfts. Mit anderen Worten: Der Nahe Osten wird weiter gefährlich aufgerüstet, und dass diese Aufrüstung sich ganz eindeutig gegen den Iran richtet, ist auch kein Geheimnis. Israel droht dem Iran schon lange mit einem Angriff und hat für dieses Vorhaben – mit den ebenfalls hoch gerüsteten Saudis im Hintergrund, die auch mit von der Partie sind – nun vor Waffen starrende Verbündete gefunden. Das militärische Gleichgewicht in der Region wird sich damit gefährlich verschieben.  Weiterlesen

Schonzeit vorbei

von Eurich Lobenstein

„Die Jüdische Allgemeine Wochenzeitung und der Journalist Hendryk Broder erhalten durch ihre Publizistik Zuschriften ohne Ende. Sie begannen mit der Formel

„Ich bin zwar kein Antisemit, aber…..“,

der sich unverhohlen antisemitische Aussagen anschlossen; vor einigen Jahren stellten sie in einer Ausstellung des Jüdischen Museums in Berlin solche Zuschriften unter dem Titel „Schonzeit vorbei“ dem interessierten Publikum an einer Wäscheleine aufgehängt vor. Damit wollten sie eine „Antisemitismus-Debatte“ lostreten, um eine sachliche, wenn auch kritische Auseinandersetzung mit dem Thema anzugehen (soweit das Landgericht Frankfurt in einem Rechtsstreit des (jüdischen) Verlegers Abraham Melzer gegen den Droemer-Verlag) Der Droemer-Verlag verarbeitete die Ausstellung noch in ein Buch. Darin wird Herr Melzer Antisemit definiert, weil eine Alt-Präsidentin des jüdischen Zentralrats ihn sogar als „berüchtigten Antisemiten“ in Mißkredit gebracht hatte.  Weiterlesen

Ringen mit dem Zionismus – Wrestling with Zionism

von Ludwig Watzal

Bis zur gewaltsamen Gründung des Staates Israel stellte der Zionismus immer eine Minderheitenmeinung dar. Die westlichen Medien bezeichnen Israel gern als „Heimat der Juden“ und „einzige Demokratie des Nahen Ostens“. Diese Binsenweisheiten bilden nicht nur die Grundlage der  Berichterstattung, sondern liegen auch der öffentlichen Diskussion und den primitiven Talkshows zugrunde. Kritik an Regierungshandeln gilt als „Königsrecht“ jeder demokratischen Öffentlichkeit. Im Falle Israels wird dieses Recht jedoch weitgehend außer Kraft gesetzt. Kritik wird als „antisemitisch“ verteufelt. Hier tun sich besonders die sogenannten Freude Israels hervor. Sie sind wider alle Vernunft die „nützlichen Idioten“ Israels. Die Meinungen unabhängiger Israelis und Juden, welche die aggressive und rassistische Politik der israelischen Regierungen kritisieren, werden nicht zur Kenntnis genommen.  Weiterlesen

BDS ist nicht „antisemitisch“

Gemäß einer Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages ist der Anti-BDS-Beschluss des Deutschen Bundestages völlig unverbindlich, als Gesetz wäre dieser Unfug „verfassungswidrig“. >>>

„Wer nennt hier wen Antisemit?“

Longread Kulturinstitutionen in Deutschland wehren sich gegen „die missbräuchliche Verwendung des Antisemitismusvorwurfs“ im Kontext der BDS-Bewegung.

von Itay Mashiach

Seit Jahren tourt Nirit Sommerfeld mit ihrem Musikprogramm durch Deutschland. Mit ihrer Klezmer-Band präsentiert sie deutsche und jiddische Lieder. Sie singt über die Reichspogromnacht, die Sehnsucht nach Israel oder Hanukkahfeiern in der Diaspora. Jahrelang war die 59-jährige in Israel geborene und in Deutschland aufgewachsene Sängerin der Liebling der jüdischen Gemeinde ihrer Heimatstadt München. Doch als sie vor zwei Jahren einen Antrag auf öffentliche Förderung ihrer Show stellte, gaben sich die sonst so freundlichen Mitarbeiter*innen der Münchener Kulturverwaltung plötzlich zugeknöpft. Sie ließen sich Zeit mit der Entscheidung. Schließlich meldeten sie sich und fragten an, ob die Künstlerin bereit wäre, ihre Texte vorab einzureichen: „Dann könnte man hier und da noch etwas ändern?“ – Sommerfeld war geschockt. „Wollen Sie mich zensieren?“, entgegnete sie empört. Ihr Finanzierungswunsch wurde abgelehnt.

2019 mietete Sommerfeld einen Club, um den 20. Geburtstag ihrer Band mit einem Konzert zu feiern. Daraufhin schickte der Eigner ein offizielles Schreiben mit der Bitte, „schriftlich zu bestätigen, dass im Rahmen dieser Veranstaltung keine antisemitischen Inhalte geäußert werden“ würden. Ohne eine solche Bestätigung müsse der Club die Show leider absagen. >>> 

Antisemitismus-Experten?

Vom Zentralrat der Juden bis zu den Antideutschen wird behauptet, dass Deutschland ein Land von Antisemiten sei. In Wahrheit ist es aber ein Land vermeintlicher Antisemitismus-Experten. Da schreiben Redakteure und Journalisten über BDS und Antisemitismus, ohne zu wissen was BDS bedeutet und was Antisemitismus ist.

Wie kommt zum Beispiel ein FAZ-Mitarbeiter wie Andreas Kilb, dazu, zu behaupten, dass die BDS-Bewegung Israels Existenzrecht verneint? Offensichtlich hat er sich mit der BDS-Bewegung nicht wirklich beschäftigt. Weiß er überhaupt, was die Ziele der BDS-Bewegung sind? Weiß er, dass diese Ziele u. a. mit der UN-Resolution 194 übereinstimmen, die den palästinensischen Flüchtlingen das Rückkehrrecht in ihre Heimatorte in Israel gewährt? Und warum dürfen Juden, deren Familien seit Generationen, seit Jahrtausenden nicht im Heiligen Land leben, nach Israel „zurückkehren“, während Palästinenser, deren Väter und Großväter dort lebten, es nicht dürfen. Inzwischen sind die Flüchtlinge von 1948 fast alle gestorben, aber auch als sie noch lebten, durften sie nicht in ihre Wohnungen und Häuser zurückkehren, obwohl das Völkerrecht es ihnen erlaubt. Diese Ungleichbehandlung ist im Kern Ausdruck eines Apartheidsystems.

Aber die Lage heute in Deutschland zeichnet sich dadurch aus, dass jeder mittelmäßige Journalist sich als Experte für Judenhass geriert. Kritik an der Politik des Staates Israel ist da per se Antisemitismus, und die Kritiker dieser Kritik halten es nicht einmal für nötig zu erklären, welche Kritik sie für antisemitisch halten und warum. Israel ist zur heiligen Kuh geworden: unberührbar, nicht kritisierbar – tabu.  Weiterlesen