Auf Antisemitismus (oder das, was manche dafür halten) kommt es bei der Meinungsfreiheit nicht an

von Lothar Zechlin

Dürfen Kommunen die Überlassung ihrer Räume für Veranstaltungen verweigern, auf denen die Forderungen der Palästinensischen BDS-Bewegung („Boycott, Divestment and Sanctions“) diskutiert werden sollen, weil sie diese Bewegung für antisemitisch halten? Der Bayerische VGH hat diese seit Jahren umstrittene Frage mit dem Urteil vom 17.11.20201) verneint. Die Stadt München ist dazu verpflichtet, einem Münchner Bürger einen Veranstaltungsraum für eine in diesem Themenkomplex angesiedelte Podiumsdiskussion zu verschaffen. Damit liegt zum ersten Mal ein ausführliches Urteil eines oberen Verwaltungsgericht vor. Ein vergangener Beschluss des OVG Lüneburg aus dem Jahre 20192), mit dem die Stadt Oldenburg zur Raumüberlassung verpflichtet worden ist, hat sich nur kursorisch mit der Angelegenheit befasst. Bei dem Münchner Fall handelt es sich hingegen um eine Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, die sich deshalb wesentlich ausführlicher mit der Materie auseinandersetzt. >>>

 

Charlotte Knoblochs Rolle in München und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes

Verehrte Frau Knobloch,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof hat Sie offensichtlich schockiert. Mich nicht. Ich fand es gut, dass es sich für die Meinungsfreiheit ausgesprochen hat und ich habe mich nicht darüber gewundert, dass Sie es „skandalös“ fanden, denn jede Kritik an der Politik des Staates Israel finden sie skandalös, und ein Urteil über Meinungsfreiheit ist für Sie offensichtlich gleichzeitig und Beweis für den Hass auf den Staat Israel. Ein solcher Realitätsverlust ist krankhaft. Da kann man doch an Ihrem Geisteszustand zweifeln. Es wundert mich nicht, wenn nichtjüdische Menschen ihr selbstherrliches Verhalten kritisieren.

Seit Jahren finden Sie kein Wort der Selbstkritik, was längst schon angebracht wäre. Sie und die Führung des Zentralrats sind kopflos und treu ergeben der völkerrechtswidrigen israelischen Politik, unter der Führung des nationalistischen Rassisten Benjamin Netanjahu, und Sie befinden sich in einer Sackgasse, aus der Sie keinen Ausweg finden. Sie schreien fortwährend „Haltet den Dieb!“, dabei sind Sie der Dieb. Sie sehen ihre Umwelt, wenn nicht sogar die ganze Welt, durch eine jüdisch-zionistische Brille und glauben Judenfeindschaft dadurch zu bekämpfen, dass Sie gegen die Verfassung, gegen unser Grundgesetz agitieren. Versuchen Sie es doch mal im Einklang mit Recht auf Meinungsfreiheit, die Sie permanent für sich selbst einfordern. Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit, auch wenn er eine Meinung vertritt, die Ihnen nicht passt.  Weiterlesen

„Bayerischer Verwaltungsgerichtshof stärkt Meinungsfreiheit den Rücken“

Die Stadt München hatte ihre Räumlichkeiten einer geplanten Podiumsdiskussion verweigert. Es sollte bei der Diskussion um Kritik an einem Stadtratsbeschluss gehen, der der Stadt das Recht einräumt, Veranstaltungen öffentliche Räumlichkeiten zu verweigern, die sich kritisch mit der Politik Israels auseinandersetzen. Diesen Ratsbeschluss hat nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof unter Verweis auf das Grundrecht auf Meinungsfreiheit kassiert. Der Münchner Journalist Rolf-Henning Hintze berichtet für die NachDenkSeiten über das Urteil. Im Anhang kommentiert Peter Vonnahme, selbst ehemals Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, das Urteil und bezeichnet es als „Meilenstein im Kampf für das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung“. >>>

Nirit Sommerfeld zu School of Unlearning Zionism

Hallel Rabin, Gefangene

von Amira Hass

Mit ihrem privilegierten Hintergrund hätte Hallel Rabin ihren Militärdienst im Geheimdienst leisten können. Oder beim Armeefunk. Oder in einer kampffreien Einheit, die prestigeträchtig genug ist, um ihre zukünftige Karriere zu fördern. Aber Rabin, die knapp über 19 Jahre alt ist, aus der anthroposophischen Gemeinde Harduf stammt und noch nie Fleisch, Huhn oder Fisch gegessen hat, lehnt es ab, eingezogen zu werden, weil sie gegen jede Art von Gewalt ist.

Sie hätte Wege finden können, die Einberufung zu umgehen, um eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten. Sie hätte vorgeben können, religiös zu sein, oder aus Gründen der psychischen Gesundheit entlassen werden können. Doch stattdessen bemüht sie sich darum, dass die israelische Armee die Legitimität ihrer Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen anerkennt. Als ich diese Kolumne am Montag schrieb, meldete sie sich zum dritten Mal seit August bei einem Rekrutierungszentrum der Armee – und soll erneut ihre Weigerung, Soldatin zu werden, und ihren Wunsch, stattdessen freiwilligen Zivildienst zu leisten, erklären.  Weiterlesen

‘Good’ Arabs Tell the Israeli Story

If an Arab dares to tell the story of his own people, he’s a traitor and enemy of Israel. Actor and filmmaker Mohammed Bakri respond to Attorney General Avichai Mendelblit’s criticism of his 2002 movie, ‘Jenin, Jenin.’

by Mohammed Bakri

Attorney General Avichai Mendelblit submitted a position paper last week stating his belief that the film I directed, “Jenin, Jenin,” damages the good name of Israel’s soldiers. I was in shock. The attorney general is supposed to be the figure who, in a properly run country, stands up for the principles of justice and democracy more than anyone else.

I’ve never claimed to have a monopoly on the truth because I know that no one has such a monopoly. Truth is relative and multifaceted.

I was born in the Galilee village of Bana, to Salah and Saida, my parents. My native language is Arabic, and my religion is Islam. I did not choose to be who I am, where my home will be, or what my identity will be. I was born a Semite, a descendant of Abraham. That does not make me better or worse than others. I never thought that my race was superior to other races. My main interest was and still is the human being as such.

Fortunately, or unfortunately, I was born in a land that devours its inhabitants. A land of two peoples, each laying a claim to it, saying that it belongs to them and to them only – while the truth is that both of them belong to the land because out of it they have come and to it, they shall return.  Weiterlesen

„Das Gerücht um Israel“ – der „neue Antisemitismus?

von Ludwig Watzal

In Anspielung auf Theodor W. Adornos Feststellung, dass der Antisemitismus das Gerücht über Juden sei, behauptet Thomas M. Eppinger, Herausgeber von Mena-Watch, einem prozionistischen „Nahost-Thinktank“ in Wien: „Der neue Antisemitismus ist das Gerücht über Israel.“ Dieser mache Israel zum „Juden unter den Staaten“, wie es der französische Historiker Léon Poliakov formuliert habe. Der sogenannte neue Antisemitismus würde Juden in aller Welt in Geiselhaft nehmen und sie zur Zielscheibe machen. Der Israel-bezogene Antisemitismus würde tagtäglich von Medien und Politik genährt. Soweit die schrägen Thesen Eppingers.

Den Vorwurf des „israelbezogenen Antisemitismus“ erhob Uwe Becker, Stadtkämmerer in Frankfurt, gegenüber Demonstranten in Frankfurt. Aus dieser Demonstration heraus soll der Slogan „Palestine will be free – from the River to the Sea“ gerufen worden sein. Dies wird von den Israellobbyisten gemeinhin als antisemitisch interpretiert. Becker, der auch hessischer Beauftragter für Antisemitismus ist, hat Strafanzeige wegen dieser Parole gestellt. Becker scheint ein „israelbezogener Philosemit“ zu sein. Philosemitismus ist eine Variante des Antisemitismus.

Weder gibt es „israelbezogenen“ noch „neuen Antisemitismus“, beide Slogans sind eine Erfindung der Israellobby, noch stellen sie das Gerücht über Israel dar. Die Juden werden nicht wegen des „neuen Antisemitismus“ in Geiselhaft genommen, sondern die diversen israelischen Regierungen nehmen die Juden weltweit in Geiselhaft, da sie beanspruchen, für alle Juden in der Welt zu sprechen und sie zu repräsentieren.  Weiterlesen

„Juden gegen Israel“

von Elad Lapidot

Ist der Staat Israel jüdisch? Keine Frage, insofern sich der selbsternannte „jüdische Staat“ seit seiner Gründung 1948 nicht nur als Hauptvertretung der Juden weltweit längst durchsetzt hat, sondern auch zum Inbegriff dessen geworden ist, was „jüdisch“ heißt.

Fraglicher wird die Identifizierung zwischen Israel und Judentum bei kontroversen politischen Themen. Israels Politik ist durch Besatzung und Annektierung, die palästinensische Flüchtlingsproblematik und die Ungleichbehandlung seiner arabischen Bürger geprägt. Einst als Kriegsnotwendigkeit toleriert, machte diese Politik Israel nach mehreren Jahrzehnten allmählich zum chronischen Problemfall zeitgenössischer Nationalstaatlichkeit. Nicht Israels Jüdischsein, sondern Israels Demokratie wird immer häufiger angezweifelt.

Eben dadurch aber wird gerade das Jüdische fragwürdig: Liegt die Beeinträchtigung Israels als Demokratie darin, dass dieser Staat jüdisch ist und bleiben will?

Dass es so sei, ist heute Konsens, gar Staatsräson. Der israelische Staat übt seine Gewalt als Nationalstaat der Juden aus, er kämpft grundsätzlich um nichts anderes, als darum, jüdisch zu bleiben. So stark verschmilzt Israel Staatsgewalt mit dem Jüdischsein, dass Kritik seiner Politik schnell sein Existenzrecht als jüdischer Staat und somit das Existenzrecht der Juden überhaupt infrage zu stellen scheint.  >>>

Die EKD steht Schmiere: über die moralische Misere der evangelischen Kirche beim Israel-Palästina-Konflikt

von Manfred Jeub

Der Anfang 2020 von US-Präsident Donald Trump großsprecherisch als Jahrhundert-Deal verkündete Friedensplan für Israel/Palästina, bei der nur eine Seite beteiligt war, ist weltweit auf Ablehnung gestoßen – in den Kirchen nicht anders als in der Politik. Die Patriarchen und Kirchenoberhäupter in Jerusalem, der Lutherische Weltbund, die Versammlung der katholischen Bischöfe des Heiligen Landes, der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) und die Konferenz von Jerusalem, die Katholischen Bischöfe von England und Wales sowie der Middle East Council of Churches (MECC) haben den Plan scharf kritisiert. Von der evangelischen Kirche in Deutschland war zu diesem Thema erst einmal nichts zu hören. Stattdessen veröffentlichte der Rat der EKD Ende Februar 2020 eine Stellungnahme „angesichts der Debatte zu BDS“, in der die Boykottbewegung scharf kritisiert, aber kein einziges Wort zu ihrer Veranlassung, zu Israels Besatzungs- und Siedlungspolitik verloren wird.[1] Dabei ist das primäre Interesse der Erklärung gar nicht der BDS, der in Deutschland keine Rolle spielt, sondern der Rechtfertigungsversuch, dass man in den Führungsetagen der deutschen Kirchen die israelkritischen Positionen von Partnerkirchen und der Weltkirche nicht teilen mag. Zur Zeit präparieren sich die israelfreundlichen Kräfte für die Weltversammlung des ÖKR 2021 in Karlsruhe, wo das Thema womöglich auf die Tagesordnung kommt.

Im März führte dann eine Wahl in Israel zur Bildung einer Regierung, in deren Koalitionsvertrag ein Element des Trump-Plans, die Annexion größerer Teile des palästinensischen Westjordanlandes, festgeschrieben ist. An deren Umsetzung sollte es zügig gehen, ab Juli hieß es, ehe die Corona-Pandemie dazwischen kam. Wieder gab es kirchliche Reaktionen: Die Patriarchen in Jerusalem riefen die Weltgemeinschaft um Hilfe an, der Vatikan warnte, der Weltkirchenrat schrieb gemeinsam mit dem MECC am 8. Mai einen Brandbrief an die europäischen Außenminister, in dem die Androhung empfindlicher Sanktionen gefordert wird. Schlusssatz: „Die EU darf sich nicht durch Nichthandeln oder eine inadäquate Reaktion zum Komplizen dieser Pläne machen.“[2] Weiterlesen