von Rolf-Peter Hintze
Wie bringt man Kritik zum Schweigen? Indem man verhindert, dass Kritikern Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekommt. Und wie deckelt man Kritik an eben diesem Verbot? Mit den selben fragwürdigen Methoden. Die Stadt München hat verhindert, dass über einen stark umstrittenen Stadtratsbeschluss in städtischen oder städtisch geförderten Räumen diskutiert werden konnte. Schlimm genug. Von noch größerer politischer Tragweite dürfte aber ein Urteil des Münchner Verwaltungsgerichts vom Dezember 2018 sein. Ein Münchner hatte gegen seine Stadt geklagt mit dem Ziel, einen städtischen Saal für eine Veranstaltung zu erhalten. Das Gericht wies die Klage ab. Interview mit dem früheren Verwaltungsrichter Peter Vonnahme zu diesem Urteil.
Rolf-Henning Hintze: Herr Vonnahme, bedeutet dieses Urteil das Ende einer jahrzehntelang praktizierten liberalen Versammlungspraxis in München?
Peter Vonnahme: Die Saalverweigerung für eine Diskussionsveranstaltung über einen Stadtratsbeschluss stellt in der Tat einen Besorgnis erregenden Wendepunkt dar. Bezeichnenderweise fällt das in eine Zeit, in der deutschlandweit eine geradezu hysterische Angst vieler kommunaler und kirchlicher Stellen zu beobachten ist, wegen israelbezogener Veranstaltungen in den Verdacht des Antisemitismus zu geraten. Mit Blick auf die Zukunft lässt das nichts Gutes erwarten. Wenn die logisch klare Grenzlinie zwischen legitimer Israelkritik und unzulässigem Antisemitismus verwischt wird, wächst die Gefahr, dass antijüdische Ressentiments wie etwa „Die Juden haben zu viel Macht“ bedient werden und zu „neuem Antisemitismus“ führen.
Eine Besonderheit des Münchner Stadtratsbeschlusses liegt darin, dass er jegliches „Befassen“ mit der BDS-Bewegung – BDS steht für Boycott, Divestment, Sanctions – in städtischen oder städtisch geförderten Räumen unterbindet. Ist diese Einschränkung rechtlich zulässig?
Nein. Die Stadt verkennt, dass es sich bei den Räumen nicht um ihre Räume handelt, sondern um Einrichtungen, die mit dem Geld der Bürger finanziert worden sind. Hieraus folgt, dass die Stadt nicht nach Gutsherrnart darüber verfügen kann, sondern dass sie sich an die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften halten muss. Ohne auf die Rechtslage im Einzelnen einzugehen, ergibt sich die Widersinnigkeit des Stadtratsbeschlusses schon daraus, dass durch das zwingende Ausschlusskriterium „Befassen mit BDS“ sogar Veranstaltungen ausgeschlossen werden müssen, die sich ausdrücklich gegen die BDS-Kampagne wenden. >>>