Was haben die gegenwärtigen Unruhen und Proteste in den USA mit Israel zu tun haben?

von Arn Strohmeyer

Im Jahr 2015 hat der israelische Anthropologe Jeff Halper sein Buch „War against the People“ veröffentlicht. Der Titel sagt es schon, wovon dieser Text handelt: Regierungen der Welt rüsten auf gegen die eigene Bevölkerung, um vor allem das Überleben des neoliberalen Wirtschaftssystems und ihrer Eliten zu sichern. Bei der Entwicklung dieser Politik spielt neben den USA Israel als treibende Kraft eine wichtige Rolle. Dort arbeitet man unter den Labeln „Sicherheitspolitik“ und „juristische Kriegsführung“ (lawfare) daran, das Völkerrecht im Sinne des zionistischen Staates zu „reformieren“, das heißt, es den Interessen Israels anzupassen

Ausgangspunkt dieser Arbeit ist der Konflikt mit den Palästinensern. Der Widerstand dieses Volkes gegen die Besatzung und seine permanente Unterdrückung ist nach israelischer Auffassung „Terrorismus“, obwohl das Völkerrecht solchen von kolonialer Unterwerfung betroffenen Ländern und Völkern ein Recht auf – auch gewaltsamen – Widerstand einräumt, wenn dieser sich nicht gegen die Zivilbevölkerung richtet (UNO-Resolution 1960). Vor allem diese Bestimmung möchte Israel aushebeln – unterstützt von den USA, die nach dem Anschlag auf das World Trade Center den „Krieg gegen den Terror“ ausgerufen haben.  Weiterlesen

Palästinenser, gib dein Leben auf!

von Odeh Bisharat

„Wir müssen nicht nachgeben, sondern die Palästinenser“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in einem Interview mit der Tageszeitung Yisrael Hayom über den Annexionsplan im Jordantal, der im Juli umgesetzt werden soll. Ich sehe mich um und frage, was werden die Palästinenser aufgeben, die sie böswillig noch nicht zugunsten ihrer Cousins ​​aufgegeben haben?

In dem Sketch „Cracker vs. Cracker“ von Hagashash Hahiver, einer klassischen israelischen Comedy-Truppe, blieb dem Ehemann Mr. Cracker nach der Aufteilung seines Eigentums nur noch das Verlängerungskabel, nachdem seine Frau Bracha alles genommen hatte. Aber „Helicopter“ von Felix Movers kam wie der faire amerikanische Vermittler mit Beschwerden zu ihm: „Sie hätten ihr etwas mehr nachgeben können.“  Weiterlesen

Israel und Südafrika waren allerbeste Freunde Herr Felix Klein

Arn Strohmeyer

Wenn in Deutschland Israel als „Apartheidstaat“ bezeichnet wird und auch noch Vergleiche mit dem Apartheidstaat Südafrika angestellt werden (wie jetzt in der Debatte um Achille Mbembe), dann klingeln bei den Antisemitismusbeauftragten und den Anhängern Israels alle Alarmglocken, und der „Antisemitismus“-Vorwurf folgt auf dem Fuße. Dabei drängt sich bei einer Analyse der israelischen Realität die Bezeichnung Apartheid geradezu auf. Im Herrschaftsbereich des zionistischen Staates leben fünf Millionen Palästinenser ohne politische und bürgerliche Rechte – weggesperrt hinter Mauern und Zäunen – in „besetzten Gebieten“, die nichts anderes sind als Reservate, die man in Südafrika „Bantustans“ oder „Homelands“ nannte. Im Westjordanland gibt es für die jüdische und die palästinensische Bevölkerung eine getrennte Gerichtsbarkeit und auch getrennte Straßen. Die Palästinenser im Kernstaat Israel sind in jeder Weise diskriminiert und deshalb Menschen zweiter Klasse, was durch das Nationalstaatsgesetz sogar gesetzlich festgeschrieben ist.

Südafrikaner, die Israel und die besetzten Gebiete besucht haben, haben sich immer wieder in der Weise geäußert, dass die Verhältnisse dort viel schlimmer seien als im Apartheid-Südafrika, denn in den Homelands und Bantustans sei die Absperrung nicht so total gewesen und die weißen Herren hätten dort trotz aller Unmenschlichkeit des Systems niemals so brutale Militäraktionen durchgeführt wie Israel im Westjordanland und im Gazastreifen. Wie stand es aber um die Beziehungen zwischen Israel und dem Südafrika der Apartheid? Haben die Israelis dieses rassistische System verabscheut und gemieden, weil die Juden selbst in ihrer Geschichte so oft Opfer des Rassismus waren? Der folgende Text soll darüber Auskunft geben.  Weiterlesen

Wer lyncht Achille Mbembe?

Wenn ich erst vor wenigen Tagen Michael Wolffsohns Beitrag in der NZZ als rassistisch und dumm kritisiert habe, so muss ich aber zugeben, dass er mit einem Satz, zufällig oder auch nicht, vollkommen Recht hat: „Über Juden und Israel reden oder schreiben fast alle mehr, als sie wissen.“ Das trifft auch besonders auf den Beitrag von Jürgen Kaube in der FAZ vom 10.05.2020.

Kaube fragt wer Achille Mbembe gelynscht hat. Na, wer schon? Er und andere seinesgleichen, die nicht wissen was sie tun und wenn es um Israel und Juden geht, den Verstand verlieren, weil sie bei Israelis und Juden Augen, Mund und Ohren verschließen und sich selbst delegitimieren das zu schreiben, was notwendig wäre und stattdessen „außer Band und Rand geraten“. So ist es auch Jürgen Kaube ergangen, der bei allen anderen Themen und Problemen in der Regel seinen gesunden Menschenverstand benutzt, aber wenn es um Juden geht mea culpa denkt und sich schuldig bekennt. Schuldig aber woran?

In der Diskussion um Mbembe geht es gar nicht um Mbembe, sondern um uns und unsere Freiheit bzw. Meinungsfreiheit. Man ist nicht in der Lage und bereit sich mit anderen, vielleicht sogar unliebsamen Meinungen, Theorien und Ideologien zu beschäftigen und wenn es sein muss zu streiten, weil man Angst hat als Antisemit diskreditiert zu werden, sobald man es wagt Israels Politik zu kritisieren oder jemanden, der es tut, zuzustimmen. Um nichts anderes geht es in dieser peinlichen und würdelosen Debatte, in der man immer wieder den Artikel 1 unseres Grundgesetzes verletzt oder vollkommen ignoriert.  Weiterlesen

Antisemitismus, Apartheid und Michael Wolffsohn

Camus beschreibt in seinem Buch „Die Pest“ vordergründig eine tödliche Epidemie, die Situation der Quarantäne einer gesamten Stadt und wie sich die ihr unterworfene Bevölkerung nach anfänglicher Lähmung in „Freiwilligengruppen“ organisiert und sich der „Pest“ in innerem und äußerem Widerstand erfolgreich entgegenstemmt. Vieles im Roman liest sich vor dem Hintergrund unseres eigenen Erlebens der Kontaktsperre, örtlicher Ausgangssperren sowie der Quarantäne in Zeiten der Corona-Krise wie eine realitätsnahe Vorwegnahme der heutigen Pandemie. Camus verwendete die Beschreibung des Verlaufs der Pest nur als beispielhafte Symbolik. Ihm ging es um einen politischen Vergleich: Die Pest – das war für ihn die Besatzung Frankreichs durch die Nazis von 1940 bis 1944 im historisch-konkreten Sinne. Die Pest – das war für ihn aber auch die Warnung vor erneuten, anderen Formen der Diktatur. Was aber für uns in Deutschland und fast überall auf der Welt, eine neue unheimliche und erschreckende Erfahrung bedeutet, ist für Palästinenser, die im von den Israelis besetzten Palästina leben, eine seit Jahrzehnten erlebte tagtägliche Erfahrung. Die Pest – das ist auch die Besatzung Palästinas.

Seit Wochen ist die gesamte Welt von einem tödlichen Virus befallen, und man hat kaum noch Zeit und Nerven, sich mit etwas anderem zu beschäftigen. Jetzt, wo die verantwortlichen Politiker glauben, die beinahe diktatorischen Fesseln lockern zu können und man sich für die Zeit nach der Pandemie vorbereitet, gibt es erstaunlicherweise immer noch Ewiggestrige, blinde und taube Mitbürger, die genau dort weitermachen zu wollen, wo sie vor Wochen aufgehört haben, nämlich bei der Antisemitismushysterie.

Es sind immer die gleichen, die hinter der faschistoiden Politik eines Benjamin Netanjahu stehen, diese verteidigen, indem sie nicht darüber reden, sie ignorieren und verschweigen, und stattdessen wieder das Thema aus der Mottenkiste hervorholen, das inzwischen die Bevölkerung leid bis zum Erbrechen hat. Es sind immer dieselben Kandidaten, die bekannten Hetzer, Lügner und Leugner: Henryk M. Broder, Michael Wolffsohn, Chajim Noll, die diversen Antisemitismusbeauftragten, die das vom Beruf aus müssen und die diversen jüdischen pseudo Politiker, die sich nicht um ihre Aufgabe kümmern, sondern sich berufen fühlen, Weltpolitik zu machen, wie Josef Schuster, Charlotte Knobloch und andere.  Weiterlesen

Achille Mbembe sagt die Wahrheit über den kolonialistischen Hintergrund Israels und wird als „Antisemit“ dämonisiert

von Arn Strohmeyer

Die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den afrikanischen Philosophen Achille Mbembe haben auch eine positive Seite. Sie offenbaren, in welcher ideologischen Blase sich der Mainstream-Diskurs über den Nahost-Konflikt im politischen Deutschland befindet. Wenn es um Israel/Palästina geht, sind nur noch Fragen nach dem Existenzrecht Israels und nach der Relativierung des Holocaust erlaubt. Fallen die Antworten nach Meinung der Fragesteller unbefriedigend aus, beginnt die Antisemitismus-Kanonade und die hinterlässt dann nur noch verbrannte Erde. Dass solche Kampagnen dem eigentlichen Anliegen, dem Kampf gegen den wirklichen Antisemitismus, nur schaden können, scheint dann in der hysterisch aufgeladenen Stimmung schon kaum noch jemanden zu interessieren. Und dass dann wie jetzt im Fall Achille Mbembe auch noch die im Grundgesetz verbürgte Freiheit der Wissenschaft großen Schaden nimmt, wen interessiert das im Eifer des Gefechts?

Wenn man heute laut ausspricht oder schreibt, dass der Holocaust und der Antisemitismus-Vorwurf auch in perfider Weise instrumentalisiert werden, um die brutale Herrschaft Israels über ein ganzes Volk vor Kritik zu schützen, dann ist das auch gleich wieder schlimmer Antisemitismus. Und so dreht sich die Debatte im Kreis ohne die geringste Chance, einen Erkenntnis-Schritt weiter zu kommen. Von politischen Fortschritten und Verbesserungen für die am meisten unter dem gegenwärtigen Zustand Leidenden – die Palästinenser unter der nun schon über 50 Jahre andauernden Besatzung – ganz zu schweigen.  Weiterlesen

Tantura 1948 – und unsere schwere Schuld

von Gideon Levy

Jedes Jahr am Vorabend des Memorial Day besuchten wir die Bachrachs in ihrer Wohnung im Erdgeschoss in der Spinoza Street. In späteren Jahren, als die Frau verwitwet war, besuchten wir sie in der Feierbergstraße, schalteten das Radio ein und hörten der offiziellen Zeremonie zu. Albina (Bianca) und Arthur Bachrach verloren ihren einzigen Sohn Gideon, den sie Pauli nannten, während der Eroberung des Dorfes Tantura im Unabhängigkeitskrieg von 1948. Arthur war ein charmanter Hals-Nasen-Ohren-Arzt mit einem seltsamen medizinischen Instrument auf der Stirn, der ab und zu gerne einen Cognac trank. Bianca war Allgemeinärztin. Sie waren Freunde meiner Großeltern aus Kindertagen. Meine Eltern haben beschlossen, mich nach ihrem Sohn zu benennen, und seitdem hatte ich das Bedürfnis, sie jeden Gedenktag zu besuchen.

Gideon schaut von seinem Foto aus, ein hübscher blonder Mann. Die Yizkor-Website sagt, dass er fünf Sprachen sprach und gut schreiben konnte. Er wurde im Magen verletzt und starb zwei Tage später. Er wurde auf dem Friedhof Nahalat Yitzhak beigesetzt. Auf den Ruinen von Tantura steht jetzt ein Feriendorf. Wenn sie am Gedenktag die Namen der Gefallenen vorlesen, warte ich, bis sie Gideon Bachrach erreichen, und spüre dann, wie ein Schauer durch mich geht.  Weiterlesen

Antisemitismus-Beauftragter Felix Klein schießt ein peinliches Eigentor

von Arn Strohmeyer

Die deutschen Antisemitismusjäger glaubten, ein neues Opfer gefunden zu haben: den aus Kamerun stammenden Historiker und Philosophen Achille Mbembe. Aber der Schuss ging gründlich daneben und geriet – in der Fußballsprache gesagt – zum mehr als peinlichen Eigentor. Denn Mbembes Erwiderung auf die Vorwürfe in der ZEIT stellte die beiden Inquisitoren, den nordrheinwestfälischen FDP-Politiker Lorenz Deutsch und den Antisemitismus-Beauftragten Dr. Felix Klein, als das dar, was sie in Wirklichkeit sind: kleingeistige Dogmatiker, die sich offensichtlich im Judentum auch nur sehr begrenzt auskennen. Was nicht verwundert, wenn man Judentum, Zionismus und Israel und umgekehrt Antisemitismus, Antizionismus und Kritik an der israelischen Politik nicht auseinanderhalten kann oder will.

Auch auf die Gefahr hin sich zu wiederholen: Es ist kein Geheimnis, dass sich das Judentum in einer tiefen existentiellen Krise befindet, weil es in zwei große Richtungen gespalten ist: die Partikularisten und die Universalisten. Erstere sind heute die Anhänger des Zionismus bzw. des radikalen israelischen Nationalismus, auf der anderen Seite stehen die Universalisten, also die Vertreter von Menschenrechten und Völkerrecht, denen die Zionisten mit Ablehnung bis Verachtung begegnen.  Weiterlesen

Woran Ignoranz erkannt wird

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland schreibt am 1.11.91 in der „Allgemeinen“ unter der Überschrift „Woran Friede gemessen wird“ einen denkwürdigen Kommentar. Denkwürdig allein schon deshalb, weil es ihm gelungen ist, in einem langen Artikel, der sich mit der Konferenz in Madrid beschäftigt, in keiner einzigen Zeile, nicht einmal mit einem einzigen Wort die Palästinenser zu erwähnen, jene Menschen, die es offensichtlich gar nicht gibt, die wohl eine Erfindung der Antisemiten oder zumindest der Antizionisten sind.

Mit wem soll Israel Frieden schließen? Dazu hat sich Herr Galinski nicht geäußert, dafür aber wieder umso mehr vom Holocaust und der zweitausendjährigen Verfolgung der Juden geschrieben. Er ist stolz darauf, dass man die Israelis „Raufbolde“ nennt; er empfindet nach eigenen Worten „so etwas wie eine Genugtuung“ dabei. Und um zu beweisen, dass diese Bezeichnung wieder einmal „an der Realität vorbeigeht — produziert, um mit umgekehrtem Vorzeichen nach altbewährtem Grundmuster eine Gemeinschaft bloßzustellen, deren einziges Vergehen seit mehr als zweitausend Jahren ist, überleben zu wollen“, bemüht er wieder einmal die leidvolle Geschichte des jüdischen Volkes und suhlt sich wieder im Selbstmitleid. >>>