Ist die BDS-Bewegung antisemitisch?

In der berühmt-berüchtigten IHRA-Definition wird klipp und klar festgestellt, dass Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden kann. Die entsprechende Kritik der BDS-Bewegung hat nichts mit Hass gegen Juden, nur weil sie Juden sind, zu tun. Das ist die kurze, aber treffende Definition von Antisemitismus. BDS kämpft keineswegs gegen Juden, sondern für die Rechte der Palästinenser, und diese Rechte werden nicht durch Juden verletzt, sondern durch Israelis. Deshalb haben die Palästinenser auch das Recht, sich gegen die völkerrechtswidrige Besatzung ihres Landes und die Unterdrückung ihres Volkes zu wehren.

„Die BDS-Bewegung hat die Auslöschung des Staates Israel zum Ziel, auch wenn viele ihrer Anhänger das Gegenteil behaupten.“ Das schreibt Thomas Thiel im Feuilleton der FAZ und beruft sich auf die Neuerscheinung von Alex Feuerherdt und Florian Markl: „Die Israel-Boykottbewegung – Alter Hass in neuem Gewand“, die im Hentrich & Hentrich Verlag in Leipzig erschienen ist, und fügt noch hinzu, dass das Buch „insofern zur rechten Zeit kommt“. Allerdings von einem Verlag veröffentlicht, von dem man annehmen könnte, dass er im Auftrag des israelischen Propagandaministeriums („Ministry of Strategic Affairs“) arbeitet.  Weiterlesen

Die eigentliche Katastrophe von Meron

von Richard C. Schneider

Ein ausgehendes Staatsbudget, das Unverständnis von Demokratie und ein Premier, der die Ultraorthodoxen braucht, weil er sonst im Gefängnis landet, waren nur die Vorboten des Unglücks von letzter Woche.

Nein, die Katastrophe von Meron entstand nicht viel anders als viele andere Katastrophen weltweit: Man wusste immer, dass dort Gefahren lauern. Es war stets klar, dass die Menschenmasse, die dort jedes Jahr an Lag Baomer zusammenkam, für diesen kleinen Ort zu viel war, dass jederzeit etwas Schlimmes geschehen könnte. Und als es dann geschah, wurde klar, dass es schon lange Warnungen gab: Informationen, Untersuchungen, die voraussagten, dass eines Tages die Katastrophe kommen würde. Und als sie effektiv kam, war niemand darauf vorbereitet. Nicht die Polizei, nicht die Krankenhäuser, nicht die Sicherheitsorgane und schon gar nicht die Politik. Letztere am wenigsten. Denn die israelische Politik spielte das zynische Spiel, das sie so oft spielt: Sie verwaltete bloss Interessen. Warum? Aus Machtgier. Denn wer ist mächtiger als die Orthodoxen, die Charedim, in Israel? Wer kann eine Regierung leichter lahmlegen als die Charedim? Wer kann einen Premier, wenn er denn Binyamin Netanyahu heisst, besser erpressen als die Charedim, seine treuesten und einzigen Verbündeten, die er so dringend braucht, um irgendwie an der Macht zu bleiben? Bislang zumindest. >>>

Antisemitismusbeauftragte oder Judenreferenten?

Wozu brauchen die Juden diese sogenannten Antisemitismusbeauftragten, die mich an die Judenreferenten im Dritten Reich erinnern. Sie werden niemals den Antisemitismus beseitigen, weil sie nicht daran interessiert sein können, die Grundlage ihres Jobs zu eliminieren. Das würde nämlich ihre Entlassung bedeuten. Früher hatten die orthodoxen Juden sogenannte „Schabes Goijs“, die für sie das Feuer am Schabat anlegten und allerhand Tätigkeiten ausübten, die den Juden am Schabat verboten waren. Brauchen wir heute noch diese Wasserträger? Brauchen wir noch diese Gojim, dass sie uns vor BDS warnen und nicht müde werden zu behaupten, dass die BDS-Bewegung „ein zentraler Akteur des antiisraelischen Antisemitismus“ sei.

BDS ist eine politische Bewegung, die sich um die Rechte der Palästinenser kümmert und die Einhaltung des Völkerrechts fordert. Antisemitismus gehört nicht in ihr Programm, eher Antizionismus. Aber Antizionismus ist nicht Antisemitismus, auch wenn Leute wie Felix Klein, Samuel Salzborn und andere Antisemitismusbeauftragte es tausendfach behaupten. Antisemitismus ist Hass auf Juden nur weil sie Juden sind. Antizionismus heute ist dagegen Hass auf Israels Politik, weil das Land die Palästinenser unterdrückt, weil es hunderttausende Palästinenser aus ihrer Heimat vertrieben hat und weil es seit mehr als siebzig Jahre die Rechte der Palästinenser, wie im Völkerrecht beschrieben, missachtet. Die arabische und auch palästinensische Welt hat sich inzwischen längst mit der Existenz des Staates Israel arrangiert. Es geht nicht mehr um die Vernichtung bzw. Delegitimierung des Staates. Es geht um die aktuelle Politik. Juden sind Menschen wie alle anderen auch. Zionismus ist aber eine Ideologie, die man unterstützen, aber auch bekämpfen kann und darf, ohne gleich als Rassist diffamiert zu werden.  Weiterlesen

Die „neun Leben“ des jüdischen Verlegers Joseph Melzer

von Ludwig Watzal

Erinnerungskultur genießt einen hohen Stellwert in Deutschland. Jetzt liegen die Lebenserinnerungen des jüdischen Verlegers Joseph Melzers vor. In ihnen wird ein jüdisches Leben  im 20 Jahrhundert entfaltet, das in jeder Beziehung als außergewöhnlich bezeichnet werden kann. Der Autor  habe „neun Leben  gelebt“. Diese Behauptung macht neugierig.

Joseph Melzer wurde 1907 in Kuty, einem Städtchen in Galizien, in die K. u. K.-Monarchie (Donaumonarchie) geboren. Am Ende des Ersten Weltkrieges fiel ein Teil Galiziens an Polen und Melzer war fortan Pole. Kaiser Franz Joseph wurde als Vaterfigur verehrt. „Der Kaiser schützte seine Juden, und die Juden liebten ihren Kaiser.“ In dieser „kleinen Welt“ gab es keinen Antisemitismus. Judenhass wurde so wahrgenommen „wie Sommer und Winter“. „Judenhass habe ich erst viel später im Deutschland der zwanziger und frühen dreißiger Jahre kennengelernt.“  Weiterlesen

Zur Rolle Israels im Nahen Osten

von Fritz Edlinger

In meinem jüngsten YouTube-Gespräch habe ich mit Karin Leukefeld ausführlich über die Rolle Israels im Nahen Osten gesprochen. Im Gegensatz zu dem von Israel und seinen Lobbyisten gerne verbreiteten Narrativ, wonach sich der jüdische Staat seit seiner Gründung im Jahr 1948 einer existenziellen Bedrohung durch feindliche – zumeist islamische – Nachbarstaaten ausgesetzt sieht, kommen wir zum Ergebnis, dass Israel seinerseits von Anbeginn an seinen Nachbarn feindlich gegenübergestanden ist. Anhand einiger Beispiele wie der bereits in den 60er Jahren begonnenen und bis heute nicht eingestandenen atomaren Aufrüstung, der Affäre um die SS Liberty im Sechstagekrieg, der Zerstörung des irakischen Reaktors Osirak, den wiederholten Feldzügen gegen den Libanon, der zwanzigjährigen Besatzung von Teilen des Landes und dem Massaker von Sabra und Shatila 1982 sowie der Okkupation des syrischen Golan und den seit Jahren anhaltenden ständigen Angriffen auf Ziele in Syrien wird die aggressive Haltung Israels erläutert.

Um den in solchen Zusammenhängen üblichen Vorwürfen des Antisemitismus zu entgegnen, habe ich am Ende des Gespräches auch unmissverständlich klargestellt, dass wir uns klar von jeglicher antijüdischen und antisemitischen Kritik distanzieren. Wir stimmen mit unserer Kritik auch mit jenen israelischen und jüdischen Organisationen und Persönlichkeiten überein, die ihrerseits vehemente Kritik an der aggressiven und destabilisierenden Politik des zionistischen Israel üben.

Wir sprechen in diesem Gespräch bewusst Themen an, welche äußerst kontroversiell diskutiert werden. Angesichts der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten erscheint es uns aber unabdingbar, Ereignisse und historische Tatsachen der vergangenen 70 Jahre und darüber hinaus wahrheitsgetreu in Erinnerung zu rufen, um auf diese Weise der Verbreitung und Verfestigung falscher Feindbilder entgegenzuwirken.

Jüdische Verbrechen

Anmerkung der Redaktion:  Wäre es nicht an der Zeit, wie es schon oft gefordert wurde, dem Antisemitismusbeauftragten Felix Klein einen Antisemitismusbeauftragten zur Seite zu stellen, der unterscheiden kann zwischen Antisemitismus und  antisemitischen Philosemitismus. Ich schließe mich der Schlagzeile von Amos Gvirtz, zumal „jüdische Verbrechen“ das ist, was der Zionismus eigentlich wollte. Herzl wollte nicht nur „jüdische Polizisten“, sondern auch „jüdische Verbrecher“, damit der Staat der Juden so wird, wie alle anderen Staaten auch. Allerdings hat er nicht geahnt, dass im Staat der Juden, in Israel, die Verbrechen vom Staat begangen werden.

von Amos Gvirtz

Ich nehme an, jeder Jude würde in der obigen Schlagzeile Antisemitismus wittern. Wir Juden haben eine historische Fracht, die ein solches Gefühl rechtfertigt. Und dennoch habe ich diese provokante Überschrift verwendet. In den letzten Tagen sind die hebräischen Medien voll von Berichten über die Kriminalität der Negev-Beduinen, wobei die Verbrechen des Staates gegen die Negev-Beduinen völlig ignoriert werden. Rechtsgerichtete Medien nennen es Beduinenverbrechen. Rechte Politiker versprechen, dass sie, wenn sie die kommenden Wahlen gewinnen, die Strafverfolgung gegen die Beduinenkriminalität im Negev intensivieren werden.

Diesmal werde ich es unterlassen, über die kriminellen Siedler-Kolonisten im Westjordanland und ihre Abgesandten in den illegalen Außenposten zu schreiben, die geschickt werden, um Palästinenser von ihrem eigenen Land zu vertreiben. Ich werde nicht über das andauernde Kriegsverbrechen schreiben, das die israelische Armee in Humsa Al Baqi’a im palästinensischen Jordantal begeht.

Am Montag, den 22. Februar 2021, kamen israelische Regierungsagenten in Begleitung großer Polizeikräfte auf das Land von drei Beduinendörfern im Negev: Sa’wa, Arawis und Al Ghara. Sie begleiteten einen Bauunternehmer mit großen Traktoren und anderen Zerstörungsgeräten, die Getreidekulturen im Wert von 2.800 Dunam zerstörten. Sie verhafteten fünfzehn Beduinen, meist Minderjährige, die es wagten, gegen dieses abscheuliche Verbrechen zu protestieren (vier von ihnen sind immer noch in Haft, während ich schreibe – am 1.3.). Am Donnerstag, den 25. Februar, kamen sie nach Sawawin und zerstörten 400 Dunam Getreide. In Whatsapp sah ich Fotos von israelischen Polizisten, die, anstatt das Verbrechen zu bekämpfen, es unterstützen, wenn es von Agenten des Staates gegen Bürger verübt wird, deren einziges Verbrechen darin besteht, dass sie als Beduinen im Staat der Juden geboren wurden. Am Abend schaute ich die Nachrichten auf Kan 11, Israels öffentlich-rechtlichem Kanal, und sah und hörte nichts über das oben Gesagte. Ich sah einen fotografierten Bericht über Beduinenkriminalität… Am nächsten Tag blätterte ich in Israels „linker Zeitung“ – Haaretz – und sah auch nichts darüber. Unnötig zu sagen, dass Menschenrechtsaktivisten aus dem Negev versucht hatten, diesen Artikel an alle israelischen Medien zu verbreiten. >>>

Sind die Palästinenser „vogelfrei“, Herr Maas?

Sehr geehrter Herr Maas,

ich hätte nicht gedacht, dass ein deutscher Außenminister es schaffen könnte, dass ich mich wegen Deutschland schäme. Ihre heuchlerische, zynische und beschämende Forderung, dass der Internationale Gerichtshof sich nicht um die menschenrechtsverletzenden Eingriffe der Israelis in der Westbank, Gaza und den Golanhöhen kümmern soll, hat es freilich geschafft mich maßlos zu empören und mich ihretwegen zu schämen. Dies geht so weit, dass ich Probleme damit hatte, „sehr geehrter Herr Maas“ zu schreiben, denn es fällt mir schwer Sie noch zu ehren.

Sie machen aus den Palästinensern ein „vogelfreies“ Volk, dass den israelischen Demütigungen, Verfolgungen und der permanenten Unterdrückung auf ewig schutzlos bleiben soll, weil es angeblich als souveränem Staate nicht von Ihnen und der deutschen Regierung anerkannt wird. Heute erkennen aber 138 Staaten den Staat Palästina an. Das ist die Mehrheit der Mitgliedsstaaten der UNO. Die Bundesrepublik Deutschland erkennt Palästina allerdings nicht als Staat an. Warum? Weil die Palästinenser keine Juden sind? Deshalb meinen Sie, dass „unsere legale Ansicht bezüglich der Jurisdiktion des ICC wegen angeblicher Verbrechen in den palästinensischen Gebieten bleibt unverändert.“  Weiterlesen

Palästina in israelischen Schulbüchern

von Willy Parlmeyer

Miko Peled und Nurit Peled-Elhanan sind Sohn und Tochter von Mattityahu Peled, einem hochdekorierten General in Israels frühen Kriegen. In seinem Buch Der Sohn des Generals beschreibt Miko Peled, wie sein Vater mit anderen Generälen 1967 die Regierung zum Angriff auf Ägypten drängt und die militärische Laufbahn aufgibt, als er realisiert, dass der Sieg nicht zum Friedensschluss genutzt wird. Nurit Peled-Elhanan (* 1949) hat 2012 das Buch Palestine in Israeli School Books – Ideology and Propaganda in Education veröffentlicht. Es liegt nun auf deutsch vor unter dem Titel Palästina in israelischen Schulbüchern.

Die Autorin ist Professorin für Literaturwissenschaft und Pädagogik an der Hebräischen Universität Jerusalem. Sie sagt über ihre Studie, diese sei „nicht von einer Historikerin, sondern von einer Diskursanalytikerin verfasst.“ Sie untersuche nicht die Richtigkeit der in den Schulbüchern berichteten Fakten, sondern ihren Diskurs, „besonders ihre Rhetorik und die semiotischen Instrumente, mit denen sie ihre Aus­sagen übermitteln.“

Es handelt sich um Schulbuchforschung, und diese weiß, dass Schulbücher wirksame Instru­mente sind, die dem Staat dazu dienen, nationale und persönliche Identitäten zu formen. Am Schluss des Buches macht die Autorin dies drastisch klar, indem sie Max Weber paraphrasiert, an der Basis des modernen Staates befinde sich nicht der Scharfrichter, sondern der Lehrer, denn das Monopol über die rechtmäßige Bildung sei wichtiger als das Monopol über die rechtmäßige Gewalt.  Weiterlesen

„Plünderungen vor Israels Staatsgründung. Der große Beutezug“

Jüdische Zivilisten und Milizionäre raubten 1948 den Besitz vertriebener Palästinenser. Nun schildert ein israelischer Historiker die lange verdrängten Verbrechen – und greift Staatsgründer Ben-Gurion scharf an.

von Joseph Croitoru